Belgrad/Den Haag - Der Prozess gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien dürfte vorzeitig beendet werden. Diese Schlussfolgerung könnte aus einer Ankündigung des Tribunalssenats gezogen werden, der am 29. November eine einschneidende Verfahrensänderung erwägen will. Damit will das Gericht möglichst bald zu einem Urteil kommen.

Der Prozess gegen den ehemaligen jugoslawischen Staatschef wurde vergangene Woche wegen Gesundheitsproblemen des Angeklagten unterbrochen und soll auf Anraten der Ärzte am Dienstag fortgesetzt werden. Milosevic leidet seit Jahren an hohem Blutdruck. Sein Gesundheitszustand hat sich nun weiter verschlechtert.

Drei Anklagen

Der Tribunalssenat wird laut dem Sender B-92 die Möglichkeit erwägen, die drei Anklagen gegen Milosevic voneinander zu trennen. Die Kammer erwägt, zunächst nur über die Kriegsverbrechen im Kosovo zu urteilen. Nach der Vorführung der Entlastungsbeweise zum Kosovo durch Milosevic soll das Urteil gesprochen werden. Die weiteren Anklagen beziehen sich auf Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina und Kroatien.

150 Werktage "verbraucht"

Der Ex-Staatschef Jugoslawiens hat nach Angaben des Tribunals bisher rund 75 Prozent der ihm für die Präsentierung der Verteidigung gewährten Zeit - insgesamt 150 Werktage - verbraucht. Seine Entlastungszeugen befassten sich fast ausschließlich mit dem Kosovo. Der Tribunalssenat wies darauf hin, dass Milosevic demnächst die Vorführung seiner Entlastungsbeweise für das Kosovo abschließen werde. "Es könnte im Interesse der Gerechtigkeit sein, die Anklagen zu trennen, den Prozess in der Causa Kosovo zu beenden und ein Urteil zu sprechen", heißt es im Vorschlag des Tribunalssenats. Wann der Prozess zu Bosnien-Herzegowina und Kroatien fortgesetzt werden soll, wird allerdings nicht angegeben.

Prozess seit Februar

Der Marathon-Prozess gegen Milosevic läuft seit Februar 2002. Wegen seiner angeschlagenen Gesundheit sind bisher mehr als 60 Tage verloren gegangen. Milosevic lehnte andererseits den Vorschlag ab, sich durch einen Verteidiger vertreten zu lassen.

Die Anklage für das Kosovo wurde Ende Mai 1999 gegen Milosevic erhoben. Die Anklagen für Kroatien und Bosnien-Herzegowina erfolgten erst nach seiner Festnahme und Auslieferung an das UNO-Tribunal im Jahr 2001. Milosevic wurde wegen Kriegsverbrechen, aber auch Völkermord in der früheren Bosniaken-Enklave Srebrenica angeklagt. (APA)