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Am 27. November wurde in der russischen Teilrepublik Tschetschenien ein Parlament gewählt. Zur Wahl für die beiden Kammern traten über 350 Kandidaten an, allesamt Mitglieder moskautreuer Parteien. Um den Schein der Pluralität zu wahren, kandidierten aber auch drei frühere Rebellen, darunter der Magomed Chambijew, der 1999 Verteidigungsminister unter Präsident Aslan Maschadow war.

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Der Alltag in der Unruheprovinz ist weiterhin von Gewalt dominiert. Für die Wahl wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft, jedes Wahllokal wird bis Sonntag rund um die Uhr von gut einem Dutzend Sicherheitskräften bewacht.

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Grund zur Beunruhigung gibt es allemal: Erst vor knapp einer Woche entging Präsident Sergej Abramow (rechts auf dem Plakat) nur knapp dem Tod. Sein Auto war in Moskau von einem Lastwagen gerammt worden und Abramow musste schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden. Er dürfte die Amtsgeschäfte nach Einschätzung der Ärzte erst in einem Monat wieder aufnehmen. Ob es sich tatsächlich um einen Unfall oder einen Anschlag gehandelt hatte, ist unklar. Die tschetschenische Vertretung in Moskau schloss einen Anschlag aus.

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Bereits zuvor kamen zwei Vorsitzende von lokalen Wahlkommissionen in Tschetschenien durch Schussverletzungen ums Leben. Auch in diesen Fällen sind die Hintergründe nicht bekannt. Gleichzeitig wurden drei Zivilisten von Sicherheitskräften durch Kopfschüsse kaltblütig ermordet. Weitere zivile Opfer gab es, als russische Truppen eine Siedlung versehentlich unter Artilleriebeschuss nahmen.

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Freie und demokratische Wahlen scheinen angesichts der anhaltenden Gewalt praktisch unmöglich zu sein. Zwar sollen rund 1.000 russische Wahlbeobachter die Richtigkeit des Urnengangs prüfen, internationale Organisationen hingegen schicken keine Beobachter in die Region. Lediglich der Europarat schickt eine als "Fact Finding Mission" deklarierte Gruppe von sechs Parlamentariern in die Region.

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Seit 1999 befindet sich Tschetschenien praktisch im Krieg. Offiziell hatte Moskau ihn bereits 2001 für beendet erklärt. 160.000 Menschen sind seit 1994 durch Krieg und an dessen Folgen gestorben, schätzt ein vom Kreml ernannter hochrangiger tschetschenischer Beamter, der Staatsratsvorsitzende Taus Dschabrailow.

Im Bild: Tschetschenische Frauen bei einer Demonstration in Grosny. In der Hand halten sie Bilder ihrer vermissten Verwandten. Es gibt keine exakten Zahlen, Schätzungen gehen aber davon aus, dass tausende Menschen seit Mitte der 90er Jahre spurlos verschwunden sind.

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Diese Wahl ist der dritte und letzte Schritt eines Prozesses zur politischen Neuordnung der Teilrepublik, den Moskau eingeleitet hat. Schritt eins war das Verfassungsreferendum im März 2003. Bei der Volksabstimmung stimmten nach offiziellen Angaben 95,5 Prozent für die neue Verfassung, die einen Verbleib Tschetscheniens in der Russischen Föderation fest schreibt.

Im Bild: Eine Frau bei der Stimmabgabe im Flüchtlingslager Karbulak in Inguschetien.

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Schritt zwei war die Präsidentenwahl im Oktober 2003.

Im Bild: Wahllokal in Alpatovoi.

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Gewinner der Wahl und damit neues Staatsoberhaupt Tschetscheniens war Achmed Kadyrow. Noch im ersten Tschetschenienkrieg (1994-1996) kämpfte Kadyrow auf Seiten der Rebellen, zu Beginn des zweiten Kriegs (1999) wechselte er allerdings in das russische Lager und wurde 2000 zum Verwaltungschef ernannt. Im Vorfeld der Präsidentenwahlen im Jahr 2003 übte er Druck auf Moskau aus, so dass sich alle Kandidaten zurückzogen, die in Umfragen vor ihm lagen.

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Kadyrow kam am 9. Mai 2004 durch einen Bombenanschlag ums Leben. Zu dem Attentat bekannte sich Rebellenführer Schamil Bassajew.

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Sein Nachfolger wurde der vom Kreml favorisierte bisherige Innenminister Alu Alchanow (rechts). Dieser ernannte den damals 27-jährigen Sohn Kadyrows, Ramsan (Mitte), zum Vizepremier - ein Amt, das extra für ihn geschaffen worden war.

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Kadyrow jun. gilt als der wahre Machthaber in der Provinz. Menschenrechts­organisationen werfen ihm vor, als Chef der so genannten Präsidentengarden für Morde, Entführungen und Vergewaltigungen verantwortlich zu sein.

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Neben der offiziellen Regierung gibt es in Tschetschenien noch ein von Moskau nicht anerkanntes ("itschkerisches") Kabinett. Der 1997 gewählte Präsident der Tschetschenen, Aslan Maschadow, wurde später von Moskau als Verhandlungspartner nicht akzeptiert. Russische Spezialeinheiten töteten den Rebellenführer im März 2005.

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Der Vizepremier der itschkerischen Regierung, Schamil Bassajew, führt dessen Kampf weiter: blutig und auch außerhalb des Territoriums. Zahlreiche Terroranschläge werden ihm zur Last gelegt, darunter das Geiseldrama in der Schule von Beslan im Vorjahr, zwei Flugzeug-Abstürze über Russland verursacht durch Selbstmord-Attentäterinnen oder die Anschläge in Naltschik.

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Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin leisten die russischen Truppen in Tschetschenien einen Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus. Die radikalisierte Rebellenbewegung verfolgt indessen nicht mehr die nationale Unabhängigkeit als primäres Ziel, sondern sieht sich in einem "Heiligen Krieg" für den Islam, den sie in den gesamten Kaukasus tragen will.

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Leidtragende des Konflikts ist die Bevölkerung, die sowohl von russischen Sicherheitskräften als auch von den Rebellen terrorisiert werden.

Im Bild: Bei der Explosion einer Autobombe Mitte August wurden zwei Menschen getötet, mindestens 11 Personen wurden verletzt.

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Ein aktueller Bericht von Human Rights Watch (HRW) macht die russischen Streitkräfte und ihre tschetschenischen Helfer unter anderem für Exekutionen, Folter, willkürliche Festnahmen und Plünderungen verantwortlich. "Es zeigt sich, dass im Zuge der durch Russland angestrebten "Tschetschenisierung" des Konflikts, Moskau-treue tschetschenische Sicherheitskräfte an die Stelle der föderalen Truppen treten und die Mehrheit der Entführungen und Menschenrechtsverletzungen begehen", so der Bericht.

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Laut amnesty international (ai) werden willkürlich festgehaltene Personen oft gefoltert, bis sie ein Schuldeingeständnis unterschreiben, das ihre Beteiligung an terroristischen Aktivitäten beweisen soll.

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Ob die Wahlen zu einer Stabilisierung der Lage führen werden, stellt Tatiuana Lokschina, Menschenrechtlerin und Tschetschenien-Expertin der Internationalen Helsinki-Förderation. Die einzige Möglichkeit, den Konflikt zu lösen, sei die Einbindung moderater Separatisten, indem sie zu den Wahlen zugelassen werden, meint die Menschenrechtlerin.

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"Für moderate Kräfte gibt es in Tschetschenien im Moment keinen Platz. Junge Männer haben entweder die Wahl, sich Kadyrow oder den Rebellen anzuschließen." (APA/sof)

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