Das Punschstand-Urteil des VfGH betrifft auch andere "geschlossene Kreise".

Foto: Der Standard/Matthias Cremer
Was haben das Punschstandl auf dem Christkindlmarkt, das Opernabonnement und die Strandhütten im Gänsehäufel gemeinsam? Sie sind allesamt rar, die Nachfrage ist sehr viel größer als das Anbot, und überall sitzen die Alteingesessenen bis in die dritte und vierte Generation, wahren ihren Besitzstand und lassen anderen, die auch in den Genuss dieser Privilegien kommen wollen, keine Chance.

So sind seit Jahren die Marktstände auf dem Christkindlmarkt in fester Hand: Wer bereits einen Marktstand hat, bekommt ihn auch im nächsten Jahr; und weil kaum einer seinen Marktstand aufgibt, haben neue Interessenten keine Chance.

Der Verfassungsgerichtshof goutiert diese Praxis des Wiener Magistrats nicht und gab vor Kurzem einem Linzer Ehepaar Recht, das seit Jahren versucht hat, einen solchen Stand zu ergattern (V71/04 vom 15. 6. 2005). Zumindest in größeren Zeitabschnitten "muss jeder die Chance bekommen, einen Marktplatz zu erhalten". Es darf nicht zu einem "geschlossenen Kreis von Marktteilnehmern" kommen.

Änderung der Vergabepraxis

In Zukunft will der Wiener Magistrat die Vergabe der Marktplätze einem privatrechtlichen Verein übertragen, der auch bereits eine Änderung der Vergabepraxis ab 2006 angekündigt hat. Das ist notwendig, denn auch als Träger von Privatrechten ist der Staat an die Grundrechte gebunden.

Noch schlechter als bisher den Punschstandlern auf dem Christkindlmarkt geht es jenen, die ein Abonnement der Wiener Staatsoper wollen. Dort kann man sich - weil sinnlos - nicht einmal mehr vormerken lassen. Die "alten" besonders günstigen Abonnements werden ausschließlich an bereits bestehende Abonnenten jährlich neu vergeben.

Erbabonnements

Nicht einmal der Tod beendet solche Abonnements; mit der Einantwortungsurkunde kann der Erbe (wer immer das ist) in das Abo eintreten und das seit Generationen. Das Abonnement bleibt, wie man in der Aboabteilung stolz erklärt, "im Familienbesitz", und das buchstäblich auf ewige Zeiten, solange die Erben und Erbeserben wollen und solange es die Staatsoper gibt.

Nur in den allerteuersten Preiskategorien werden auch neue Kunden zugelassen. Wer sich dennoch für ein Abonnement interessiert, ist auf Zyklen angewiesen, die allerdings deutlich teurer sind.

Die VfGH-Entscheidung zu den Punschstandln gilt in ihrer Grundaussage auch für die Staatsoper: Einen "geschlossenen Kreis" darf es auch für Opernabonnenten nicht geben. Zwar hat der VfGH in der Entscheidung die Erwerbsfreiheit angesprochen, doch sollte für den freien Zugang zu Opernabos das Recht auf Gleichbehandlung genügen.

Auch das Wiener Gänsehäufel könnte von der VfGH-Entscheidung betroffen sein. Dort geht es nach Zeitungsberichten um die besonders begehrten Strandhütten, etwa vier Quadratmeter große Holzhütten nahe dem Wasser, seit Generationen in festen Händen und jährlich auf Saisondauer für Altmieter verlängert. Junge Familien, die die Annehmlichkeiten solcher Strandhütten genießen wollen, haben hier keine Chance. Wie das Punschstandl und das Opernabo bleibt auch die Badehütte über Jahrzehnte "im Familienbesitz".

Kundenpflege

Auch anderswo werden Interessenten zurückgewiesen, weil die Behörden etwa unter dem Titel der "Kundenpflege" (Staatsoper) neuen Kunden keine Chance geben. Dies könnte bei den "Volksgaragen" der Fall sein, die mit öffentlichen Mitteln subventioniert werden und dafür eine bestimmte Anzahl von Stellplätzen billig vermieten müssen.

Auch hier stellt sich die Frage, ob in Anbetracht des Einsatzes öffentlicher Mittel der Gleichheitssatz zur Anwendung kommt und ein Rotationssystem für die Vergabe der Garagenplätze verlangt.

Ein Nachsatz: Verantwortlich sind natürlich nicht jene, die das bestehende System nützen; sie wahren nur ihre Interessen. Verantwortlich sind vielmehr jene, die das bestehende System zulassen und erhalten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2005)