Brüssel/Berlin/Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) hält gegen den Widerstand von EU-Staaten an der geplanten Zinserhöhung fest. Nach den Worten ihres Präsidenten Jean-Claude Trichet will die Notenbank die Zinsen jedoch nicht mehrfach hintereinander in "Trippelschritten" erhöhen.

"Es wäre keine gute Arbeitshypothese, von vornherein anzunehmen, dass wir eine Serie von Zinserhöhungen beginnen wollen", sagte Trichet am Montag vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments in Brüssel. Der EZB-Präsident nannte vor allem die durch hohe Energiepreise angeheizte Inflation als Grund für den beabsichtigten Schritt. Bei Politikern stieß die geplante Anhebung weiter auf Kritik.

Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, bekräftigte im Club Berliner Wirtschaftsjournalisten, er halte die von der EZB geplante Zinserhöhung "nicht für zwingend geboten". Die Entwicklung der Tariflöhne sei trotz gestiegener Ölpreise vorerst moderat. Wenn die Notenbank die Zinsen erhöhe, stehe sie "in der Beweispflicht, dass es damit nicht zu einem Einknicken der noch zarten Wachstumskräfte kommt."

Überraschende Ankündigung

Trichet hatte am Freitag überraschend klar eine unmittelbar bevorstehende Erhöhung der Zinsen in der Euro-Zone angekündigt. Der wichtigste Leitzins verharrt seit Juni 2003 auf dem historischen Tiefstand von 2,0 Prozent. Experten rechnen damit, dass die Leitzinsen am 1. Dezember um 0,25 Prozentpunkte angehoben werden. Die Ankündigung war bei Volkswirten auf geteiltes Echo gestoßen.

Die Ausführungen des Notenbank-Präsidenten in Brüssel untermauerten die Vermutung der Ökonomen, dass die EZB im Dezember einen erste Zinsschritt nach oben plane, den nächsten aber wahrscheinlich erst im Frühjahr folgen lässt.

Symbolischer Charakter

Damit hätten die Erhöhungen vor allem symbolischen Charakter: Die Notenbank würde ihre Bereitschaft signalisieren, die Inflation zu bekämpfen, ohne aber die moderate Konjunkturerholung gefährden zu wollen. Im Gegensatz dazu hat die amerikanische Notenbank Fed seit Juni 2004 den Satz für Tagesgeld zwölf Mal in Folge um 0,25 Prozentpunkte auf inzwischen 4,0 Prozent angehoben.

Die von der künftigen Bundesregierung für 2007 geplante Anhebung der Mehrwertsteuer dürfe nicht als Argument für eine Zinserhöhung herangezogen werden, sagte Juncker. Dies sei ein Schritt zur Haushaltskonsolidierung.

Mit seinen Äußerungen erneuerte Juncker die Kritik der Euro-Finanzminister, die vor zwei Wochen angesichts von Haushaltslöchern und Rekordschulden vor einer Zinserhöhung gewarnt und damit sogar ein Zerwürfnis mit der unabhängigen Zentralbank riskiert hatten.

Die geplante Zinserhöhung wird sich wahrscheinlich bereits in dieser Woche in der Schuldenaufnahme des Bundes niederschlagen. Am Mittwoch (23.11.) wird eine neue zehnjährige Bundesanleihe begeben, die nach Angaben der zuständigen "Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH" einen um 0,25 Prozentpunkte höheren Zinskupon aufweisen könnte als eine ähnliche, auf 3,25 Prozent lautende Emission vom Sommer. Bei einem Volumen von acht Mrd. Euro müsste der Bund dann in einem Jahr 20 Mio. Euro mehr an Zinsen zahlen.

Markt hat sich bereits eingestellt

"Der Markt hat sich bereits auf die Zinserhöhung eingestellt, und die Markterwartungen wirken sich auf jede neue Emission aus, die wir anbieten", sagte Gerhard Schleif, Geschäftsführer der Finanzagentur, am Montag der dpa in Frankfurt.

Trichet hielt sich mit Bewertungen von einzelnen Ländern der Euro-Zone zurück. Zu den Koalitionsvereinbarungen in Deutschland sagte er lediglich, alles sei gut, was in Richtung Verminderung des Defizits gehe. Deutschland bricht 2005 im vierten Jahr in Folge den Euro-Stabilitätspakt. (APA/dpa)