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Ein "feiner, guter Mann": Der Demokrat John Murtha, bisher ein Freund der Republikaner, brockt diesen plötzlich Schwierigkeiten ein.

Foto: APA/EPA/Matthew Cavanaugh
Die Forderung des demokratischen Abgeordneten und Kriegsveteranen John Murtha, die USA sollten aus dem Irak abziehen, hat eine enorme politische Diskussion losgetreten.

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Die sonntäglichen Talkshows in den USA drehten sich in dieser Woche hauptsächlich um ein Thema: die Forderung des demokratischen Abgeordneten und Kriegsveteranen John Murtha, die USA sollten aus dem Irak abziehen. Kommentatoren aller politischen Couleurs meinten, wenn die Republikaner einen so wichtigen demokratischen Alliierten wie Murtha verloren hätten, könnte dies der Anfang vom Ende der US-Besatzung im Irak sein. Frank Rich schrieb in der New York Times, die Republikaner "wissen, dass die Wähler entschieden haben, dass der Krieg vorbei ist, egal, wie viele symbolische Resolutionen verabschiedet werden", und zitiert eine Gallup- Umfrage, wonach 52 Prozent der Amerikaner die Truppen so rasch wie möglich zurückholen wollen – ein Prozentsatz, der höher sei als die 48 Prozent von Amerikanern, die 1970 den Abzug aus Vietnam gefordert hatten.

Murtha, der "Falke"

Auf den 73-jährigen gemäßigten Demokraten Murtha, seit 31 Jahren Kongressabgeordneter aus Pennsylvania, konnten sich die Republikaner bisher verlassen: Der mehrfach dekorierte Veteran der Kriege in Korea und Vietnam und Exoberst der "Marines" war seit jeher als "Falke" bekannt und hatte auch im Oktober 2002 mit voller Überzeugung für die Irak-Resolution im Kongress gestimmt. Umso schmerzhafter war es daher für die Bush-Regierung, als Murtha in der Vorwoche vor die TV-Kameras trat, den Krieg im Irak für "nicht gewinnbar" erklärte und den Abzug der Truppen innerhalb der nächsten sechs Monate forderte: "Wir machen absolut keinen Fortschritt im Irak." Die erste Reaktion aus dem Weißen Haus war rasch und scharf: Murtha habe sich mit "dem extremen linken Flügel der Demokraten und Michael Moore" zusammengeschlossen, meinte Pressesprecher Scott McClellan.

Die Republikaner im Repräsentantenhaus reagierten ebenso rasch und brachten binnen eines Tages eine Resolution ein, die den unverzüglichen Abzug der Truppen aus dem Irak forderte und die Demokraten dazu zwingen sollte, Farbe zu bekennen. Die Debatte am Freitag im Repräsentantenhaus dauerte bis spät in die Nacht und gipfelte in Schreiduellen, als die frisch gebackene Kongressabgeordnete Jean Schmidt aus Ohio den Kriegshelden Murtha als "Feigling" bezeichnete. Wie von den Republikanern geplant, wurde die Resolution mit 403 zu drei Stimmen niedergestimmt.

Empörung über Attacken gegen Murtha

Nicht nur Demokraten, auch Republikaner stimmten in das Empörungsgeheul über die Attacken gegen den allseits angesehenen Murtha ein. Die Empörung war so groß, dass sich sowohl Präsident George W. Bush aus Peking als auch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zu Wort meldeten, um klarzustellen, dass der mehrfach verwundete Murtha keineswegs ein Feigling sei.

Bush lobte Murtha als "feinen, guten Mann", der seine Forderung nach einem "vorsichtigen und nachdenklichen" Gedankenprozess erhoben habe. Allerdings würde ein sofortiger Abzug nur die Terroristen stärken. Er, Bush, finde jedoch, es handle sich um eine "wertvolle Debatte", bei der sogar patriotische Amerikaner verschiedener Meinung sein könnten. Auch Rumsfeld erklärte, Murtha sei ganz sicher kein Feigling, ein Truppenabzug wäre jedoch eine "schreckliche Sache für unser Land und die Sicherheit unserer Leute". (DER STANDARD, Printausgabe, 22.11.2005)