Der neue Bawag-Chef Ewald Nowotny will die Gewerkschaftsbank wieder auf den Pfad der Tugend führen.

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Wien - Die offizielle Hofübergabe findet zum Jahreswechsel statt: Der frühere Chef der Europäischen Investitionsbank (EIB) und derzeitige Vizerektor der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), Ewald Nowotny, folgt Johann Zwettler, der im Zuge des Kreditdesasters um den amerikanischen Rohstoffhändler Refco seinen Rücktritt erklärt hatte. Wie berichtet, hatte die Bawag Refco bzw. dem Vorstandschef einen Kredit von insgesamt 425 Millionen Euro gewährt, kurz darauf war Refco pleite.

Nowotny will die Geschäfte der Bawag in Zukunft auf das Kerngeschäft, also Österreich und "den Osten" beschränken. "Die Bawag ist kein Global Player", sagte der Nationalökonom anlässlich seiner Vorstellung durch Eigentümer- Vertreter Gewerkschaftsbund- Präsident Fritz Verzetnitsch und Bawag-Aufsichtsratschef Günter Weninger.

"Erste Wahl"

Nowotny sei die "erste Wahl" als Zwettlers Nachfolger gewesen, erklärte Günter Weninger. Nach einer ersten Kontaktaufnahme am Freitag habe man sich schon am Sonntag auf die Bestellung geeinigt. Zwettler hatte seinen Rücktritt von der Bawag-Spitze am Donnerstag damit begründet, er wolle die Bank aus dem "Trommelfeuer" herausbekommen. Weninger bezeichnete den Rücktritt Zwettlers als "überzogen und inadäquat".

Der neue Bawag-Chef selbst bezeichnete sich als "Kombination aus In- und Outsider". Dem Hinweis auf fehlende Praxis im kommerziellen Bankgeschäft stellte er seine Expertise bei der internationalen Kreditvergabe in der EIB gegenüber.

"Weder verniedlichen noch übertreiben"

Der Refco-Betrugsfall sei zwar äußerst "unangenehm", man dürfe die Sache aber "weder verniedlichen noch übertreiben". Angesichts des Gesamtvolumens der Bank seien die Konsequenzen nicht mehr als eine "Delle". Oberste Priorität habe die Wiederherstellung des Vertrauens von Kunden und Anlegern. Grundsätzlich sei die Bawag eine "starke, gut positionierte Bank mit erheblichem zukünftigem Potenzial", unterstrich Nowotny.

Die zu 100 Prozent im Besitz des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) stehende Bawag P.S.K. soll auch weiterhin im Gewerkschaftseigentum bleiben. Daran ließ ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch ebenso wenig Zweifel aufkommen wie Ewald Nowotny. "Es gibt keinen Anlass, an der Eigentümerstruktur etwas zu ändern", unterstrich Verzetnitsch.

Besitz und Betrieb einer Bank seien zwar nicht grundsätzlich Kerngeschäft einer Gewerkschaft, räumte der ÖGB-Chef auf eine entsprechende Frage ein. "Aber wenn eine Gewerkschaft eine Bank besitzt, soll sie sich auch nicht von ihr trennen." Zumal die Bawag eine "grundsätzlich gut geführte Bank" sei. Gerade die "Vielfalt von Eigentümerstrukturen" sei eine Stärke des österreichischen bzw. europäischen Bankensystems, so Nowotny.

Auch der Leitende ÖGB-Sekretär Richard Leutner bekräftigte am Montag, dass der Gewerkschaftsbund an der Bawag P.S.K. beteiligt bleiben werde: "Wir behalten die Bank", sagte Leutner am Rande einer Tagung am Semmering vor Journalisten.

Weiter Personaländerungen möglich

Ob der ÖGB zu 100 Prozent an der Bawag beteiligt bleiben wird und ob es nach dem Chef-Wechsel bei der Bank noch zu weiteren Personaländerungen kommen wird, wollte der ÖGB-Sekretär nicht kommentieren. Nicht kommentieren wollte Verzetnitsch Berichte über eine kolportierte angeschlagene Situation des Gewerkschaftsbundes ÖGB.

Nach einem Bericht im Format hatte der Gewerkschaftsbund im vergangenen Jahr nur dank einer Sonderdividende der Bawag in Höhe von 70 Mio. Euro ausgeglichen bilanziert. Der operative Bereich - im Wesentlichen Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen abzüglich der laufenden Aufwendungen - soll für 2004 ein Finanzloch von rund 43 Mio. Euro ausweisen. (Michael Moravec, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2005)