Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/dpa
Dass Angela Merkel, ab Dienstag erste deutsche Bundeskanzlerin, und der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber nicht besonders gut miteinander können, bestreitet mittlerweile auch in der Union niemand mehr. Unter "dieser Frau" sei es ihm nicht möglich, in einer Regierung zu sitzen, hat Stoiber parteiintern vor einigen Wochen seinen überhasteten Rückzug nach München begründet.

Das hindert Merkel aber nicht, sich nun völlig überraschend einen Mann aus Bayern an ihre Seite zu holen, noch dazu einen, der früher sehr loyal für Stoiber gearbeitet hat: Ulrich Wilhelm wird ihr Regierungssprecher und als solcher im Rang eines Staatssekretärs gleichzeitig Chef des Bundespresseamtes, in dem zurzeit 527 Mitarbeiter dafür sorgen, dass die Arbeit der deutschen Bundesregierung in möglichst gutem Lichte dargestellt wird.

Dreimal die Woche (Montag, Mittwoch, Freitag) stellen sich der Regierungssprecher oder seine zwei Stellvertreter den Fragen der Hauptstadtjournalisten und werden dabei von selbigen "gegrillt". Soll heißen: Sie stellen Fragen, die Sprecher weichen möglichst kunstvoll aus. Gerhard Schröders Sprachrohr, Béla Anda, war in der Kunst des nebulösen Antwortens und Verschleierns so talentiert, dass er vom Stern den Titel "Der Sagenichts" verliehen bekam. "Tom Cruise light" wurde er wegen seines Aussehens auch genannt.

Zumindest diesbezüglich dürfte Neuling Wilhelm die Tradition wahren. Ein "blonder Frauenschwarm" schreibt Bild am Sonntag über den ehemaligen Stoiber-Mann. Der 44-Jährige ist groß, er lächelt viel und freundlich. Dahinter verbirgt sich aber nicht - wie man bei Anda manchmal vermutete - komplette Ahnungslosigkeit, sondern Kompetenz. Bis hierher und nicht weiter, signalisiert sein höfliches Lächeln.

Wie Anda war auch Wilhelm früher Journalist. Nach der Matura absolvierte er zunächst seinen Wehrdienst bei der Luftwaffe, ging dann auf die Werner-Friedmann-Journalistenschule in München und packte zum Schluss seiner Ausbildung noch ein Jus-studium drauf.

Nach ersten Berufsjahren als Journalist (Bayerischer Rundfunk, Münchner Merkur) war er ab 1998 Regierungssprecher von Ministerpräsident Stoiber und gehörte zu dessen Vertrauten. Silvester 2003 endete die Zusammenarbeit, und Wilhelm kletterte auf der Karriereleiter nach oben. Der zweifache Vater wurde Amtschef im bayerischen Wissenschaftsministerium und engster Mitarbeiter von Ressort-Chef Thomas Goppel (CSU).

Der Wechsel sei in Wirklichkeit ein Wegloben gewesen, munkelt man in München. Wilhelm nämlich habe die ewigen Hahnenkämpfe mit Stoibers Pressesprecher Martin Neumeyer satt gehabt. (Birgit Baumann/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.11.2005)