Ein Rundgang durch die Buchmesse im Wiener Rathaus zeigt: Literatur hat's schwer. Fast alles, was Bilder oder Rezepte aufweist, ist reizvoller als Belletristik.

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Wien - Ginge es rein nach den Besuchern der noch bis einschließlich Sonntag im Rathaus stattfindenden Österreichischen Buchwoche, dann könnten die heimischen Verlage ihre Literaturprogramme eigentlich einstampfen. Ein Rundgang durch die grell beleuchtete Halle zeigt, dass für den durchschnittlichen Buchkäufer fast alles - Bild- und andere Prachtbände, Bücher zu regionalen Themen, Biografien, Kochbücher, Gewinnspiele - reizvoller ist als mehr oder weniger anspruchsvoll zu nennende Belletristik.

Eine Beobachtung: Zu den ganz wenigen Literaturinteressierten auf der vom Hauptverband des Österreichischen Buchandels ausgerichteten Publikumsmesse zählt eine Schulklasse, der ihre Deutschlehrerin als Hausübung offenbar aufgegeben hat, von den Buchrücken aktueller österreichischer Romane die dort abgedruckten Mini-Inhaltsangaben abzuschreiben. So viel zum Literaturunterricht an den Schulen - und weniger werden die Lagerbestände der Verlage davon auch nicht.

"Literaturverlage haben es immer schwer am Markt", sagt Michael Forcher. Dem von ihm noch bis zu seiner Pensionierung im kommenden Jahr geleiteten Tiroler Haymon Verlag ginge es dennoch den Umständen entsprechend gut.

Zwar wurde er kürzlich in eine Innsbrucker Verlagsgruppe zusammen mit Studienverlag, Löwenzahn und Skarabaeus integriert. Am Namen Haymon und seinem zwischen Krimis und schwerer verkäuflichen Büchern - zuletzt etwa dem Roman Via Gemito des Italieners Domenico Starnone in der Übersetzung des kürzlich verstorbenen Gerhard Kofler - traditionell bunt zusammengewürfelten Programm wird sich dadurch entgegen erster, anders lautender Gerüchte nichts ändern. Forcher: "Gott sei Dank gibt es immer ein paar Titel, die sich gut verkaufen und zusammen mit der staatlichen Förderung unser Engagement auch für die so genannten schwierigeren Titel möglich machen."

Dass eine immer geringere Zahl an immer höhere Auflagen erzielenden Bestsellern über das Schicksal der Bewerber am Buchmarkt entscheidet, muss Forcher als Verleger nicht stören - hat er doch mit Alfred Komarek einen für gute Umsätze garantierenden Erfolgsautor in seinen Reihen.

Eine andere wichtige Komponente am heimischen Verlagswesen bringt Herbert Ohrlinger vom Zsolnay Verlag ins Spiel - das Ausland: "Ohne den gesamten deutschsprachigen Raum könnten die heimischen Verlage nicht existieren." Zsolnay gehört seit 1996 dem Münchener Carl Hanser Verlag.

Der deutsche Nachbar neigt in Gestalt seiner großen Verlagshäuser aber auch dazu, viel versprechende österreichische Autoren wie Daniel Kehlmann oder Arno Geiger zu Legionären zu machen, die ihre Honorare im Ausland verdienen. Dem österreichischen Verleger bleibt nur, mit seinen verbliebenen Hausautoren den umgekehrten Weg zu gehen: "Besonders freut mich, dass wir Martin Pollacks Der Tote im Bunker in ein halbes Dutzend Länder verkauft haben, darunter England und die USA."

Nicht zu vergessen ist, dass Erfolg am Buchmarkt in erster Linie die entsprechenden Rahmenbedingungen benötigt, wie Martina Schmidt vom seit 2004 zu Zsolnay, letztlich also auch zu Hanser gehörenden Deuticke Verlag weiß: "Österreichische Verlage, die über ein starkes Vertriebsnetz verfügen, können ihren Autorinnen und Autoren faire Startbedingungen bieten."

Die veränderten Eigentümerhältnisse würden sich bei Deuticke nicht nur finanziell positiv auswirken: "Unsere Arbeit ist in vielen Bereichen professioneller geworden." Literatur und Markt: Es ist das ewige Lied vom Schwierigen, das sich nur mühsam und langsam über die Ladentische bewegen lässt. Dafür weiß die Buchwoche immerhin eine temporäre Abhilfe: Heute und morgen wird dort auf der "Bücherinsel" ein "Wochenende für Sparer" ausgerufen. Die Verlage haben Lese- und Besprechungsexemplare zur Verfügung gestellt, die gegen eine hoffentlich nicht zu kleine Spende zugunsten eines Sozialprojekts zu erstehen sind. (DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.11.2005)