Wien - Unterschiedlicher hätte es nicht sein können. In Slowenien galt zu Beginn das Motto: "Europa jetzt!", in Kroatien hingegen: "Herr im eigenen Haus!", resümiert die Chefin der Mitte-links-Partei HNS, Vesna Pusic. Am meisten hätte Kroatien davon profitiert, dass slowenische Experten nach Zagreb fuhren, um bei der Angleichung der Gesetze an EU-Standards zu helfen. Über solche Beispiele von Wissenstransfer wurde am Freitag bei dem Seminar "Die österreichische EU-Präsidentschaft - regionale Zugänge zum Balkan" vom Rennerinstitut in Wien, gesprochen.

Erstmals würden die Kroaten nun politische Entscheidungen von wirtschaftlichen Überlegungen und nicht von Mythen abhängig machen. "Ein Schritt in Richtung mehr Rationalität", so Pusic. Kroatien habe keinen Minderwertigkeitskomplex mehr. "Serbien schon", meint die Belgrader Präsidentin der Helsinki Föderation, Sonja Biserko. "Es leidet an einer postimperialistischen Frustration und glaubt, dass es Kompensationen bekommen muss."

Das Land sei "im Schatten seiner Vergangenheit". "Alles basiert auf Verleugnung." Die Leute und Strukturen des Milosevic-Regimes seien unter der Regierung von Vojislav Kostunica zurückgekommen. "Noch nie hat es weniger Ausdruck von Freiheit gegeben als heute", so Biserko. (awö/DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2005)