Foto: Der Standard
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"Ich glaube nicht an Weinmacher-Weine", sagt Telmo Rodríguez. Überhaupt braucht man dem 40-jährigen Spanier mit den gängigen Tuning-Methoden gar nicht erst kommen. Dabei ist er selbst ein "Weinmacher", der zuerst Remelluri, das Weingut seines Vaters, in lichte Höhen geführt hatte, um dann mit seinem Studienkollegen Pablo Eguzkiza die "Companía de Vinos Tel- mo Rodríguez" zu gründen. Seit 1994 zeigt er damit, was auch in teils wenig bekannten Weinbaugebieten Spaniens steckt. Seine Weine haben mittlerweile so etwas wie Kultstatus, Rodríguez selbst werden nicht nur in seiner Heimat, sondern auch beim - normalerweise eher "feindlichen" - Wein-Nachbarn Frankreich Rosen gestreut.

Die Weine kosten zwischen knappen fünf und 70 Euro

Besondere Sorgfalt wird den zahlreichen "einfacheren" Einsteigerweinen zuteil. Zu Beginn habe das Geld gefehlt, deshalb waren gute Basisweine "die einzige Möglichkeit, uns zu etablieren", so Rodríguez. "Und dann haben wir gesehen, dass es unserem Ego gut tut. Dass es wichtig ist, für ,normale' Menschen zu arbeiten."

In Spanien wird Wein traditionell nicht als Genuss-, sondern durchaus als Nahrungsmittel für alle gesehen. "Basis" steht bei Rodríguez deshalb für Authentizität. Die Weine sollen die Landschaft zeigen, leicht zu trinken, nicht abgehoben sein. "Ich mag diese Bars in Frankreich, wo es einfachen, guten Regionalwein gibt", sagt Telmo, "da spürt man Terroir." Bei seinen Reisen in Spanien hätte er viele "außergewöhnliche Weingärten mit gutem Potenzial" gesehen, die nur darauf zu warten schienen, dass jemand "mit Leidenschaft" etwas daraus mache. Die Idee daraus: in diesen Gebieten aus den regionstypischen Rebsorten mit ebensolchen Methoden auf möglichst natürliche Weise Weine "con alma" - mit Seele - zu machen.

Was bemerkenswert nach Allerweltssager klingt...

... - wohl kaum ein Winzer würde diese "Grundsätze" nicht unterschreiben -, wird freilich konsequent umgesetzt. Die Diskussion um traditionelle oder moderne Verfahren geht für Rodríguez ins Leere: "Je besser ein Wein, desto weniger 'moderne Methoden' sind notwendig." 90 Prozent aller großen Weine entstünden jedenfalls nicht durch Technologie. "Je komplexer und interessanter eine Sorte ist, desto wichtiger ist gute Arbeit im Weingarten. Nur dann kann man alle Informationen aus Beeren und Boden in die Flasche bringen." Außerdem sei es "völlig sinnlos", in verschiedenen Regionen präsent zu sein und überall die gleiche Methode anzuwenden.

"Vina 105" beispielsweise aus der DO Cigales (Denominación de Origen, offizielle Herkunftsbezeichnung) nordöstlich von Valladolid in Nordspanien, ist ein einfacher, frischer Rotwein (ca. 7 €), der zu 95 Prozent aus Tempranillo, der wichtigsten Rebsorte Spaniens, und etwas Garnacha besteht. "Dehesa Gago" (ca. 7,50 €) kommt aus der DO Toro im Duero-Tal, einer bis vor Kurzem wenig beachteten Gegend, die heute stark im Kommen ist. Die Rebstöcke der (roten) "Tinto de Toro"-Traube, einer Tempranillo-Urform, in der Gago-Weinanlage sind nicht auf reblaussicheren amerikanische Unterlagsreben aufgepfropft, eine Rarität in Europa. "Der Boden ist extrem sandig, das behagt der Reblaus gar nicht", erklärt Rodríguez. Von dort kommt das Topgewächs "Gago" (ca. 15 €), ein sehr ausgefeilter, komplexer Wein, der Zeit zum Reifen braucht.

Gängige Trink-Trends wie auch önologische Moden...

... sind dem Spanier ein rotes Tuch. Selbst "organisch-biologisch" oder "biodynamisch", die radikalsten Methoden im Bio-Weinbau, bezeichnet er als bloße "Schubladen". "Ich glaube nicht an solche Kategorien", erklärt Rodríguez, "wir arbeiten immer auf die natürlichste Weise, die in einem Gebiet möglich ist." Das könne wie in La Rioja biodynamisch sein, an anderen Orten wieder organisch-biologisch. "Manchmal arbeiten wir auch mit Praktiken, die direkt aus dem Mittelalter kommen - was endgültig in keine Kategorie passt, aber der Region, den Verhältnissen und der Tradition entspricht."

Die Praxisjahre nach dem Studium in Bilbao und Bordeaux verbrachte Rodríguez bei illustren Persönlichkeiten der französischen Weinszene: bei Bruno Prats im ehrwürdigen Château Cos d'Estournel, bei Eloi Dürrbach auf Domaine de Travallon in der Provence und bei Jean- Louis Chave an der nördlichen Rhône. Dass Rodríguez' Companía mittlerweile in sieben Weinbauregionen Spaniens vertreten ist, "war nicht geplant, sondern ist passiert. Aber ich muss nicht vor Ort sein, um Wein zu machen", so Rodríguez. Denn gute Weine entstünden in einem guten Team, das eine Idee umsetzt. "Ich hoffe jedenfalls, dass wir mehr machen als Weinmacher-Weine."
Da kann er ganz beruhigt sein.
(Luzia Schrampf/Der Standard/rondo/18/11/2005)