Der Unirat der Boku macht den Weg für den Umzug einzelner Bereiche nach Tulln.

Foto: Boku
Wien - Der Universitätsrat der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien hat in seiner Sitzung gestern, Dienstag, die Weichen für die umstrittene Übersiedlung der im Kompetenzfeld "Nachwachsende Rohstoffe" zusammengefassten Boku-Bereiche nach Tulln gestellt. Das Gremium hat zugestimmt, "die nächsten Schritte zur Realisierung des 'Universitäts- und Forschungszentrums Tulln' einzuleiten", teilte die Boku am Mittwoch in einer Aussendung mit.

Damit könne der Rahmenvertrag zwischen Boku, Land Niederösterreich, der Stadt Tulln und den Austrian Research Centers Seibersdorf (ARCS) unterschrieben werden, erklärte Boku-Rektor Hubert Dürrstein gegenüber der APA. Dies solle noch in diesem Jahr passieren. Der Vertrag sei Grundlage für die Behandlung in den politischen Gremien in Niederösterreich.

Nur bei erfolgreichen Verhandlungen der Leistungsvereinbarung

Das Vorhaben soll nun in den Entwurf für die Leistungsvereinbarung eingearbeitet werden. Realisiert werde es "nach Maßgabe der Mittel", sagte Dürrstein, also nur, wenn in den Verhandlungen zwischen Boku und Bildungsministerium über die Leistungsvereinbarung und damit über das Budget ausreichend Mittel dafür in Aussicht gestellt werden. Andernfalls gebe es "Ausstiegsmöglichkeiten" aus dem Vertrag.

Zu den Widerständen von Studenten und Belegschaft betonte Dürrstein, dass man die geäußerten Bedenken ernst nehmen müsse: "Wir werden uns damit auseinander setzen und dafür Lösungen erarbeiten." So sei sicher die Studienorganisation eine "zusätzliche Herausforderung". Der Rektor betonte aber, dass die Bakkalaureatstudien jedenfalls in Wien bleiben und nur Teile der einschlägigen Magister- und Doktoratstudien übersiedeln würden. Er will die Gespräche mit den Mitarbeitern und Studierenden intensivieren, um alle voraussichtlich Betroffenen entsprechend einzubinden.

In Tulln existiert bereits das Interuniversitäre Department für Agrarbiotechnologie (IFA) der Boku mit rund 100 Mitarbeitern. Nun sollen das Department für Angewandte Pflanzenwissenschaften und Pflanzenbiotechnologie sowie die Vorziehprofessuren für Naturfaserwerkstoffe und für Holz-, Zellstoff- und Faserchemie nach Tulln übersiedeln. Damit würden sich dem Kompetenzfeld "Nachwachsende Rohstoffe und Ressourcenorientierte Technologien" bedeutende Zukunftsperspektiven eröffnen, heißt es in der Aussendung. Eine Übersiedlung steht auf Grund des Neubaubedarfs frühestens 2009 an, insgesamt sollen am Standort Tulln 250 bis 300 Wissenschafter tätig sein.

SP-Rieder verstimmt

Verstimmt hat sich der Wiener Vizebürgermeister Sepp Rieder (S) am Mittwoch über die Entscheidung des Universitätsrats gezeigt, den Weg für die Übersiedlung nach Tulln in Niederösterreich freizumachen. "Es wundert mich, dass man sich dem Vorwurf aussetzt, dass man nicht einmal das Alternativangebot abwartet", sagte er zur APA.

Ein entsprechendes Angebot Wiens sei in Ausarbeitung gewesen, was man sowohl der Boku als auch dem Universitätsrat mitgeteilt habe. Als "merkwürdige Entwicklung" bezeichnete Rieder auch, dass in die Entscheidung weder die Studierenden noch der akademische Senat einbezogen worden seien.

Die Wissenschaftssprecherin der Wiener Grünen, Claudia Smolik, bezeichnete die Entscheidung als "schweren Schaden für den Wissenschaftsstandort Wien". Durch den nun vor dem Abschluss stehenden Rahmenvertrag könne eine Übersiedlung nur mit großem finanziellem Schaden für die Boku rückgängig gemacht werden. "Es ist bedauerlich, dass sich auch der Universitätsrat über die massiven Bedenken aller Universitätsangehörigen hinwegsetzt", meinte Senats-Mitglied Jürgen Bittner von der Basisgruppe Grüne und Alternative StudentInnen. In einer Aussendung witterte er "diktatorische Methoden" an der Boku. Nun soll eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Universitätsrat im Bildungsministerium eingebracht werden. (APA)