Foto: "Schnelles Geld"/Sabine Derflinger
Ein neues Sozialprojekt soll jetzt eine Wohnmöglichkeit für die Randgruppe schaffen, ein Dokumentarfilm zeigt ihren Alltag.

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"Hallo, hast vielleicht ein bissl Kleingeld?" Auf die Frage, wofür, zeigt sich Frank überraschend ehrlich: "Für Bier und Hundefutter." Sein Schäfermischling macht einen gesunden Eindruck, Frank nicht. Tiefe Ringe unter den Augen lassen erahnen, dass er wenig Schlaf hinter sich hat, seine Fahne verrät, dass schon das Frühstück alkoholisch war. Franks Gebiss hat fast so viele Lücken wie seine Jeans, seine dreckige Jacke ist viel zu dünn für den kalten Vormittag auf der Wiener Mariahilfer Straße. "Verschwende dein Leben", heißt ein alter Grundsatz der Punkbewegung und nicht nur Frank, der junge Schnorrer mit der grellroten Igelfrisur, scheint danach zu leben.

Private Securityteams

Bereits rund 100 Jugendliche gehören zu der Gruppe von Punks, die tagsüber in Einkaufsstraßen betteln und nachts wer weiß wo schlafen. Im Sommer drohte die Situation vor dem Generali-Einkaufscenter in der Mariahilfer Straße zu eskalieren, Geschäftsleute engagierten private Securityteams, um die auf den Gehsteigen herumlungernden Punks zu vertreiben.

Denn viele Passanten machten damals einen großen Bogen um die schnorrenden, oft betrunkenen und meist mit mehreren Hunden bestückten Punks und damit auch um den Einkaufstempel. Den privaten Sicherheitsleuten folgten immer öfter Polizeieinsätze, bis die Punks schließlich ihren Treffpunkt ein Stück Richtung stadtauswärts verlegten. Wo das Spielchen erneut begann.

Schwieriger Zugang

Von der medial beklatschten Vertreibungsaktion alarmiert, startete der Verein Wiener Sozialprojekte im Juli das Projekt aXXept. "Wir wurden nicht unbedingt als Freunde aufgenommen", beschreibt Teamleiterin Silvia Kremsner die Schwierigkeit, das Vertrauen der Gruppe zu finden. Vor allem die Tatsache, dass die Punks keine homogene Gruppe seien, gestaltet den Zugang recht schwierig. Manche Jugendliche wollen das Leben auf der Straße ausprobieren, andere flüchten vor Gewalt im Elternhaus. Auffällig sei, dass sich sehr junge Frauen in der Gruppe befänden, ein großer Teil davon Mittelschulabbrecherinnen. Die Männer hingegen seien 20 bis 35 Jahre alt, so Kremsner.

Haushohe Unterschiede

Auch bei der Geldbeschaffung gibt es haushohe Unterschiede: "Manche hätten Anspruch auf Notstandshilfe, aber lehnen alles ab, was nach gesellschaftlichem System riecht. Das gilt auch für medizinische Behandlungen", erklärt Streetwork-Chef Uwe Hincziza. Andere seien nicht derart anarchistisch, sondern klassisch unorganisiert. "Die schaffen es einfach nicht, zu vorgegeben Zeiten auf einem Amt zu erscheinen", so der Sozialarbeiter. Um trotzdem an Geld zu kommen, bleibt eben Schnorren. Einige Mädchen prostituieren sich rund um den Westbahnhof, wo sich die Szene auch teilweise mit dem Drogenhandel vermischt.

Wohnungstraum

Dass die jüngste No-Future- Generation auch von einem besseren Leben träumt, beweist der Doku-Kinofilm "schnelles Geld" von Sabine Derflinger. Die Regisseurin hat die Punks über ein Jahr in unregelmäßigen Abständen begleitet. "Ich wollte wissen, warum in einem der reichsten Länder der Welt, das über ein hoch entwickeltes Sozialsystem verfügt, junge Menschen auf der Straße betteln", so Derflinger. Die meisten Protagonisten in ihrem Film träumen von einer eigenen Wohnung oder zumindest einem fixen Platz "zum Auspennen".

Viele Punks sind obdachlos und kommen nicht mehr in Wohlfahrtseinrichtungen unter, weil sie die Hausregeln ablehnen oder selbst von anderen Obdachlosen abgelehnt werden. Das vorrangige Anliegen des aXXept-Teams ist deshalb, (wie in Graz) in Wien ein Haus für die Punks zu finden. Oder zumindest eine Lösung für diesen Winter. Mittel der Stadt stehen bereit, auch die Einnahmen der Premiere von "schnelles Geld" am Mittwoch im Filmcasino kommen dem Projekt zugute. (Michael Simoner/DER STANDARD; Printausgabe, 16.11.2005)