Die britische Pop-Eigenbrötlerin Kate Bush (47) kehrt zurück: "Ich finde es erschreckend, dass einige meiner Kollegen nicht einmal wissen, wie man eine Waschmaschine bedient."

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Bush gewährt in einem ihrer seltenen Interviews STANDARD-Mitarbeiter Michael Loesl Einblick in ihre Arbeit und das überbordendes neues Album "Aerial".


STANDARD: In der gleichen Zeit, die Sie für die Fertigstellung eines Albums benötigen, bringen es andere Musiker teilweise auf mehr als sechs Alben. Beängstigt Sie das nicht?

Kate Bush: Man kann die Frage auch umdrehen: Warum veröffentlichen die anderen in der gleichen Zeit so unglaublich viel? Von meiner Perspektive aus betrachtet ist es unmöglich, sechs oder sieben Alben in zwölf Jahren zu veröffentlichen, die konstant auf hohem Niveau bleiben. Ich brauchte für meine ersten sieben Alben 16 Jahre. Die habe ich praktisch ausschließlich in Aufnahmestudios verbracht, seit ich 17 war. Nach meinem letzten Album The Red Shoes brauchte ich dringend eine Pause.

STANDARD: Obwohl Sie von der Musik bis zum Cover so wie immer alles kontrollierten?

Bush: The Red Shoes beinhaltet einige meiner besten Songs, aber letztlich war ich mit der Platte unglücklich. Das liegt am Medium CD, das einen dazu zwingt, 80 Minuten kontinuierlich gute Musik zu liefern. Das ist nicht leicht. Ich möchte auch nicht, dass sich der Hörer erschlagen fühlt.

STANDARD: Stoßen Sie mit Ihrem Idealismus im Musikgeschäft nicht an Grenzen?

Bush: Ich habe schon früh in meiner Karriere eine eigene Produktionsfirma gegründet, die meine Musik und alles, was damit zusammenhängt, lizenziert. Die kreative Kontrolle obliegt also mir alleine. Ich brauche keine Instanz zwischen mir und meinem Publikum. Wer hat jemals behauptet, dass es leicht sei, Musik zu kreieren? Möglicherweise die Zyniker im Geschäft. Ich bin zutiefst unzynisch.

STANDARD: Markiert Ihre Pause auch eine Abkehr von der Absurdität des Geschäfts?

Bush: Nein, denn ich habe mich nie als Teil davon gesehen. Ursprünglich wollte ich nur ein Jahr pausieren, um Distanz zu schaffen. Na ja, daraus wurden dann zwölf. Die ununterbrochene Zeit im Studio führte in den ersten 16 Jahren meiner Karriere zu einem Stillstand meiner persönlichen Entwicklung. Ich habe die Pause unter anderem dafür genützt, Mutter zu werden. Wer Kinder hat, weiß, wie sehr einen dies persönlich weiterbringt.

STANDARD: Der CD-Titel "Aerial" hat mehrere Bedeutungen. Was bedeutet er für Sie?

Bush: Ich assoziiere damit "Höhe". Aerial markiert für mich sozusagen eine Ebene, auf der man sich über den Dingen befindet.

STANDARD: Wäre das nicht auch die perfekte Beschreibung für Ihren Platz im Pop?

Bush: Das wäre anmaßend. Ich denke über meinen Stellenwert im Pop gar nicht nach. Es interessiert mich nicht. Für mich sind Titel von Büchern und Platten aber immer sehr wichtig. Sie sollen neugierig auf den Inhalt machen.

STANDARD: Welche Relevanz räumen Sie der Musik als Kunstform noch ein?

Bush: Eine sehr große! Mein Gott, die Welt schreit doch geradezu nach emotional wie qualitativ hochwertiger Nahrung! Für meine Musik muss man sich Zeit nehmen. Sie erschließt sich nicht beim ersten Hören. Das ist natürlich riskant. Aber warum benutzt man überhaupt ein Kunstmedium wie die Musik, wenn man nicht mutig und fortschrittlich arbeiten möchte? Der Wert von Kunst bestand für mich immer im emotionalen Ausdruck des Künstlers. Durch die Flachheit und den Wegwerfcharakter des heutigen Pop wird die emotionale Qualität immer mehr aus unserem Leben gesogen.

STANDARD: Was ist das größte Missverständnis bezüglich ^Kate Bush?

Bush: Es frustriert mich, dass ich in der Öffentlichkeit als Einsiedlerin dargestellt werde. Tatsächlich führe ich ein völlig normales Leben! Ich habe mich nun einmal dagegen entschieden, mein Dasein im Showbiz zu fristen. Überzogene Egos, Macht- und Geldgier, Neurosen, Psychosen, Sarkasmus, Zynismus – all das brauche ich nicht! Ich finde es erschreckend, dass einige meiner Kollegen nicht einmal wissen, wie man eine Waschmaschine bedient.

STANDARD: Apropos Waschmaschine, Sie haben eine solche zur Protagonistin ihres Songs "Mrs. Bartolozzi" gemacht.

Bush: Ich erkläre die Inhalte meiner Lieder nur ungern. Es gibt schon zu viel Musik da draußen, zu der man beim Kauf gleich die Gebrauchsanweisung mitgeliefert bekommt. Ich will, dass die Hörer sich die Songs selbst erarbeiten. Auch wenn es vielleicht didaktische Züge hat, bereitet es mir Freude, wenn meine Musik auf spielerische Weise Assoziationen fördert. Tatsächlich ist die Waschmaschine der zentrale Protagonist des Songs. Kleidung, deren Geruch, deren Farben, sagen viel über die Person aus, der sie gehören. Die Frau in meinem Lied, sitzt vor der sich drehenden Trommel. Sie betrachtet die Wäsche und verfällt in einen Tagtraum. Jetzt habe ich schon mehr verraten, als mir lieb ist.

STANDARD: Verraten Sie auch noch etwas über die Vögel, die im Titelsong von "Aerial" eine wichtige Rolle spielen?

Bush: Ich habe versucht, ein menschliches Äquivalent zum Vogelgesang zu finden. Ich liebe den Gesang von Vögeln sehr! Er ist wunderschön! Vielleicht liebe ich ihn gerade deswegen, weil es sehr emotional klingt, ohne dass er uns durch tausend Worte unsere Imagination nimmt. In bin oft nach meinen Lieblingssängern gefragt worden. Es sind die Amsel und die Drossel. Das ist mein völliger Ernst. Am Anfang der zweiten CD hört man den Gesang von Waldtauben. Die assoziiere ich mit einer friedlichen Stimmung am Nachmittag, wie ich sie aus meiner Kindheit im Garten meiner Eltern kenne. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2005)

Zur Person

Kate Bush wurde am 30. Juli 1958 im britischen Kent geboren und startete ihre Musikkarriere schon in jüngsten Jahren. Entdeckt und gefördert von Pink-Floyd-Gitarrist David Gilmour gelangte sie mit "The Kick Inside" und der Single "Wuthering Heights" 1978 an die Spitze der Charts. Mit Nachfolgearbeiten wie "The Dreaming", "Hounds Of Love" oder "The Red Shoes" überzeugte sie bis 1993 in ihrer artifiziellen Mischung aus intellektuellem wie verschrobenem Pop, der immer auch auf Tanz- und Performance-Elemente setzte.

Seit 1993 lebt Kate Bush als Mutter eines heute zwölfjährigen Sohns zurückgezogen auf dem Land und gilt als

Wegbereiterin für Kolleginnen wie Tori Amos oder Fiona Apple. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2005)