Merkel hatte zuvor um Zustimmung zur Großen Koalition geworben. Beide betonten, dass vernünftige Kompromisse gefunden worden seien. Merkel sagte, die Große Koalition sei die "einzig vertretbare Perspektive". Politik sei immer auch die Kunst des Möglichen. Die CDU stehe zu ihren Wahl-Zielen, auch wenn sie diese jetzt nur eingeschränkt verwirklichen könne. Die Union habe aber bei der Bundestagswahl vom 18. September keinen Auftrag der Wähler für das angestrebte Bündnis mit der FDP bekommen. Auch die CSU hat dem Koalitionsvertrag mit der SPD zugestimmt. Die gut 200 Delegierten auf dem Kleinen Parteitag in München nahmen das Regierungsprogramm der großen Koalition am Montag einstimmig an.
Sozialdemokraten billigen Pakt
Die deutschen Sozialdemokraten haben die geplante Große Koalition mit der Union gebilligt. Bei einem Parteitag der SPD stimmten die gut 500 Delegierten am Montag in Karlsruhe mit sehr großer Mehrheit für den Koalitions-Vertrag. Der Abstimmung war eine mehrstündige, kontroverse Debatte vorausgegangen. Der designierte SPD-Parteichef Matthias Platzeck hatte unmittelbar vor dem Votum noch einmal eindringlich für ein Ja geworben.
Dies sei auch eine Rückendeckung für den künftigen Vize-Kanzler Franz Müntefering und die anderen SPD-Minister, betonte Platzeck. In den Verhandlungen sei das Modell des europäischen Sozialstaates erfolgreich verteidigt worden.
Auch Müntefering warb für Koalitionsvertrag
Wie Merkel verteidigte SPD-Parteichef Müntefering beim Parteikongress seiner Sozialdemokraten in Karlsruhe die geplanten einschneidenden Maßnahmen. Der deutsche Staat lebe bereits von seiner Substanz, sagte er. "Lasst es uns wagen, mit Leidenschaft", appellierte Müntefering an die rund 500 Delegierten des SPD-Parteitags in Karlsruhe. Die Koalitionsvereinbarung habe "genug sozialdemokratischen Geist". "Wirtschaft ist für die Menschen da und nicht umgekehrt. Das bleibt Leitlinie sozialdemokratischer Politik."
Der scheidende deutsche Kanzler Gerhard Schröder betonte, die Große Koalition könne "Dinge anpacken, entscheiden, handeln". Jetzt könnten Struktur-Probleme aufgelöst werden, die zu einem "permanenten Unentschieden" zwischen Bundestag und Bundesrat geführt hätten. Schröder forderte die Delegierten auch auf, Müntefering als designiertem Vizekanzler "durch ein eindeutiges Votum den Rücken zu stärken".
SPD würdigt Schröder
Die SPD hat den scheidenden Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einer Würdigung seiner Arbeit zu Tränen gerührt. Die Delegierten des Parteitags in Karlsruhe erhoben sich am Montag zu minutenlangem Applaus von ihren Plätzen, nachdem SPD-Chef Franz Müntefering die Verdienste Schröders gewürdigt hatte. Dieser nahm den Applaus sichtlich gerührt entgegen und stand auf, um Müntefering noch während dessen Rede zu umarmen.
Müntefering sagte, Schröders bleibende Verdienste seien, Reformen angestoßen und Deutschland als friedliche Mittelmacht in der Welt positioniert zu haben. "Diese beiden Dinge, das bleibt und das macht uns alle miteinander stolz, lieber Gerd", sagte Müntefering, der beim Parteitag selbst den SPD-Vorsitz abgibt.
Müntefering ging auch auf Schröders Biografie und sein oft gespanntes Verhältnis zur Partei ein. "Es war ein langer Weg vom Proletarierkind ins Kanzleramt", sagte er. An den Kanzler gewandt, sagte er: "Du hast es nicht immer leicht gehabt mit uns, wir nicht immer leicht mit dir." Schröder war von 1999 bis 2003 SPD-Vorsitzender, bevor er das Amt nach innerparteilichen Debatten über die Reformpolitik an Müntefering abgab. Wenn die Parteitag von SPD, CDU und CSU dem Koalitionsvertrag am Montagnachmittag wie erwartet zustimmen, ist der Weg frei für die Wahl der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel am 22. November zu Schröders Nachfolgerin.
CSU-Vorstand empfiehlt Zustimmung
Die CSU-Führung bemühte sich, den kleinen Parteitag in München ganz auf die Bundespolitik auszurichten. Der CSU-Vorstand empfahl dem kleinen Parteitag einstimmig die Zustimmung zum Koalitionsvertrag. Generalsekretär Markus Söder sagte am Montag nach der Vorstandssitzung in München, das Gremium habe ein klares Bekenntnis zum Koalitionsvertrag abgegeben. Die Vereinbarung sei eine sehr große Chance, auch wenn sie nicht alles enthalte, was man sich wünsche. Zudem sprach der Vorstand dem Parteivorsitzenden Edmund Stoiber nach den Querelen um dessen Verzicht auf ein Ministeramt in Berlin einstimmig das Vertrauen aus.
"Es tut mir leid"
Parteichef Edmund Stoiber entschuldigte sich bei seiner Partei für den Wirbel, den sein Verzicht auf das Amt des Wirtschaftsministers in Berlin ausgelöst hat. "Es tut mir leid", er habe die CSU in eine schwierige Lage gebracht, räumte Stoiber ein.
Deshalb könne er die Kritik an seiner Person auch nachvollziehen. Die derzeitige Situation tue aber vor allem ihm selbst besonders weh. "Ich leide wie ein Hund. Die CSU ist ein Stück meines Lebens. Ich habe dieser Partei ungeheuer viel zu verdanken", sagte Stoiber.
In scharfer Form wiese Stoiber die Kritik führender Wirtschaftsvertreter am Koalitionsvertrag zurück: Er lasse sich Vorwürfe wie die der Konzernchefs von VW, Mercedes und Porsche nicht gefallen, sagte Stoiber: "Diese Damen und Herren entlassen Tausende von Arbeitskräften, kippen sie der Politik vor die Tür und kritisieren uns dann noch", sagte Stoiber.
Opposition bekräftigt Kritik
Die Oppositionsparteien bekräftigten unterdessen ihre Kritik am Koalitionsvertrag. Grüne und Linkspartei schlossen sich der Ankündigung der FDP an, notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die schwarz-rote Haushaltspolitik anzugehen. Union und SPD hatten angekündigt, für 2006 einen verfassungswidrigen Haushalt vorzulegen, bei dem die Neuverschuldung die Investitionen deutlich übertrifft. Das Grundgesetz erlaubt ein solches Vorgehen nur "zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts".