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Der irakische Präsident Jalal Talabani und Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer beim Abschreiten der Garde.

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Wiener Stadtansichten: die Moschee am Hubertus-damm, eingebettet in eine Stadtrand-idylle. Auch das Zusammenleben im Westen kommt bei der großen Islamkonferenz, die Montag in Wien eröffnet wurde, zur Sprache.

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Man kann sagen, dass Veranstaltungen, die sich mit dem Islam beschäftigen, heute nicht gerade rar sind. Das Format der Konferenz "Islam in einer pluralistischen Welt", die Montag Nachmittag in Wien begann, trifft jedoch offensichtlich einen besonderen Nerv: Die Masse der Anmeldungen war kaum zu bewältigen (Aviso an die Besucher: Die Eingänge werden Montagnachmittag und Dienstagfrüh zwei Stunden vor Konferenzbeginn geöffnet!). Außenministerin Ursula Plassnik berichtet, dass sie, wohin auf der Welt sie auch kam in der jüngsten Zeit, auf die Konferenz angesprochen wurde.

Hochrangiger Besuch

Auf einer Pressekonferenz Montag Vormittag unterstrich die Plassnik, dass es eine österreichische Tradition sei, den Dialog zwischen den Kulturen und Religionen zu pflegen.

Mit der bis Mittwoch dauernden Konferenz, zu der unter anderen die Präsidenten des Irak und Afghanistans, Jalal Talabani und Hamid Karzai, sowie der iranische Ex-Präsident Mohammad Khatami erwartet wurden, wolle man "einen bewussten Akzent" im Vorfeld der österreichischen EU-Präsidentschaft setzen, so Plassnik.

Das Thema Dialog mit dem Islam sei an - fast beklemmender - Aktualität kaum zu übertreffen, sagte die Außenministerin. Angesichts gegenseitiger Vorurteile und Generalverdächtigungen gelte es, die Vielfalt der islamischen Welt hervorzustreichen. In diesem Zusammenhang wies Plassnik auf die große Bandbreite der Teilnehmer hin, zu denen auch prominente Frauen aus dem islamischen Raum, etwa die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, gehörten.

Traditionell gutes Verhältnis

Im STANDARD-Gespräch vor der Konferenz gab Plassnik ein engagiertes Bekenntnis zum "Zuhören" ab. Wien als logischer Ort einer solchen Veranstaltung erkläre sich auch aus der Tradition: nicht nur, dass in Österreich der Islam seit 1912 eine anerkannte Religion ist - was das innerösterreichische Verhältnis zwischen Nichtmuslimen und Muslimen auf eine klare Basis stellte. Auch in der jüngeren Zeit habe Österreich im Dialog mit anderen Religionen eine Vorreiterrolle gespielt, erinnert Plassnik, allein durch das Wirken von Kardinal König - sein Nachfolger Christoph Schönborn wird natürlich auch auf der Konferenz sprechen (siehe Interview ). Und Außenminister Alois Mock hatte 1990 den dialogerfahrenen Pater Andreas Bsteh von der Theologischen Hochschule St. Gabriel in Mödling damit beauftragt, entsprechende Initiativen zu starten. 1993 kam es zur ersten großen Islam-Dialogkonferenz.

Die Arbeit Bstehs ging über die Jahre weiter, meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit, um den Teilnehmern Freiheit und Ruhe zu gewährleisten. In einer seiner Dialogschienen bemüht sich Bsteh um die Erstellung von "christlich-islamischen Sozialordnungsperspektiven" - da geht es nicht nur um schöne Konferenzreden, sondern um konkrete Lösungsansätze.

Wien hat also einen guten Namen in diesem Zusammenhang, hilfreich ist weiters, dass man Österreich keine Großmachtinteressen, nicht einmal unmittelbare politische Interessen unterstellen kann: "Dialog ist nicht erst unser Thema seit 9/11. Wir haben dieses Bedürfnis immer gehabt, bevor es eine geradezu beängstigende Aktualität erlangt hat", so Plassnik. Dialoginitiativen als Maßnahme im Zusammenhang von Terrorismusbekämpfung und als Reaktion auf Ereignisse wie die in Frankreich sieht sie als zu kurz gegriffen.

Warum gerade Österreich diesen Weg früh beschritten hat? "Vielleicht wegen unserer Lage", sagt Plassnik, "weil unsere Nachbarn zu unterschiedlichen Kulturen und Religionen gehören. Und das Überkreuzen von Romanischem, Germanischem und Slawischem, das gibt es in der Form nur hier."

Mix der Perspektiven

An der Konferenz, die von Außenministerium und der Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall veranstaltet wird, ist der Außenministerin der Mix der Perspektiven wichtig: Es geht um den Islam in der globalisierten Welt, um die spezifische Situation in muslimischen Ländern - so gibt es ja mit den zwei irakischen Politikern Hussain Al-Shahristani und Adnan Pachachi einen kleinen Irak-Schwerpunkt -, genauso jedoch um das Zusammenleben mit Muslimen im Westen. Eine weitere Charakteristik ist die weite geografische Streuung der Teilnehmer sowie, wie Plassnik betont, die Präsenz von Frauen. Die berühmteste ist die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi.

Mit den bekannten Namen hat die Konferenz natürlich besonders viel Aufmerksamkeit erregt: Jalal Talabani und Hamid Karzai, irakischer respektive afghanischer Präsident, werden genauso reden wie Irans Expräsident Mohammed Khatami. Aber die starke akademische Präsenz, auch aus Österreich selbst, soll garantieren, dass es eben keine Showkonferenz wird.

Gerade Frankreich zeige, sagt Plassnik, dass Dialog zwei Komponenten hat: zueinander reden und einander zuhören. "Und wir müssen mit zwei Ohren zuhören: das eine Ohr, das auf die Welt gerichtet ist, nach außen, und das andere Ohr, das in unsere eigenen Gesellschaften hört und die Probleme wahrnimmt. Frankreich macht uns bewusst, wie schnell das Einander-nicht-Zuhören ein Beitrag zur Gewalt werden kann."

Wobei Frankreich natürlich nicht ganz einfach unter die Thematik der Konferenz fällt. Plassnik: "Dort ist ein gefährlicher Mix zutage getreten: soziale Faktoren, Armut, mangelnde Perspektiven und Bildung, mangelndes soziales Vertrauen insgesamt, die Thematik von Parallelwelten." Das religiöse Element sei vielleicht ein zusätzlicher Faktor - aber es sei hervorzuheben, dass sich die muslimischen religiösen Führer in Frankreich sofort um Beruhigung bemüht haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2005)