"Schule kann nicht alles machen und auffangen, was sonst versäumt wird." Migrationsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger, Expertin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) für europäische Integrationsforschung, fordert im Gespräch mit dem STANDARD mehr Augenmerk der Bildungspolitik schon auf den Bereich vor der Schule.

Denn das Lebensprojekt Lernen beginnt schon früher - im Kindergarten. Der aber bleibt als erste Bildungsinstitution noch zu oft unterbelichtet. Seit der Pisa-Studie aber ändert sich das allmählich. Herzog-Punzenberger nennt ihn einen der zentralen Strukturierungsfaktoren in Österreichs "Bildungsprofil". "Je früher die Schule bzw. Vorschule oder Kindergarten beginnen und je höher die Beteiligung, desto mehr gleichen sich die Bildungserfolge der verschiedenen Gruppen an. Österreich involviert die Kinder mit dem Schulbeginn im sechsten Lebensjahr und niedriger Kindergartenbeteiligung relativ spät und selektiv in gesellschaftliche Betreuungs-und Bildungseinrichtungen".

Negative Effekte auf den Erwerb höherer Bildungsabschlüsse haben laut Herzog-Punzenberger zudem die im internationalen Vergleich relativ kurze Pflichtschulzeit, "vergleichsweise niedrige Lehrerstundenzahl, die einem Kind zur Verfügung stehen" und die frühe Aussortierung der Kinder. Da werde viel integratives Potenzial vergeudet, sagt die Expertin: "Die Unterschiede zwischen den Kindern vor dem 10. Lebensjahr sind sehr viel kleiner als nach der ersten Selektion, wo sie auf Hauptschulen und AHS verteilt werden. Da werden familiäre Mitbringsel verstärkt."

Die wirken schon früher. Einer Studie der Soziologin Anne Unterwurzacher zufolge hat schon "der Kindergartenbesuch einen signifikanten Effekt auf die Übergangsentscheidungen an der Schwelle AHS-Unterstufe oder Hauptschule". Kindergarten-Besucher wechselten eher in eine höhere Schule. Kinder der 2. Migrantengeneration besuchen seltener den Kindergarten als österreichische (61,5 Prozent gegenüber 88,9).

Die von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer installierte Zukunftskommission empfahl wegen des "relativ großen" Leistungsunterschiedes zwischen Migrantenkindern und Österreichern freiwillige Sprachintensivkurse schon in Kindergarten und Vorschule.

Gehrer reagierte: Die auf ein Jahr vor Schuleintritt vorverlegte Einschreibung samt "Sprachstandsfeststellung" soll Aufholpuffer schaffen. In der Volksschule können Kinder mit Deutschproblemen bis zu elf Wochenstunden aus dem Regelunterricht herausgenommen und ein Jahr gefördert werden. Die Herausnahme aus dem Klassenverband der gut Deutsch sprechenden Kinder wird von Experten wie Herzog-Punzenberger aber kritisiert: "Gerade in Volksschulen mit mehrsprachigen Kindern müsste das Begleitlehrersystem Norm werden." (DER STANDARD, Lisa Nimmervoll, Printausgabe, 14. November 2005)