Berlin - Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD in Deutschland ist unter Dach und Fach. Beide Seiten erzielten am Freitag einen Durchbruch auch bei letzten strittigen Punkten. Im Folgenden ein Überblick über die Festlegungen:
  • FINANZEN/HAUSHALT: Die Mehrwertsteuer soll von 16 auf 19 Prozent ab dem Jahr 2007 steigen. Im Gegenzug sollen die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte sinken. Zwei Punkte der Steuererhöhung werden aber auch schlicht zur Haushaltssanierung von Bund und Ländern verwendet. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel bleibt indes bei sieben Prozent. Zudem soll eine "Reichensteuer" ab 2007 mit einem dreiprozentigen Zuschlag auf den Spitzensteuersatz (45 statt 45 Prozent) ab einem Einkommen von 250.000 für Ledige und 500.000 für Verheiratete kommen, nur Familienunternehmen sind ausgenommen. Eine Unternehmensteuer-Reform soll erst 2008 kommen.

    Die Neuverschuldung soll im nächsten Jahr bei 40 Milliarden Euro liegen. Trotzdem wollen Union und SPD insgesamt 25 Milliarden Euro für Forschung, Verkehr, Bau, Mittelstand und Familien in den nächsten vier Jahren investieren. Im Gegenzug wird ab Januar 2006 die Eigenheimzulage gestrichen, zudem wird die Pendlerpauschale bis zum 21. Kilometer fallen. Außerdem sollen die Steinkohle-Subventionen ab 2008 verringert werden. Nacht-, Feiertags- und Sonntagszuschläge bleiben grundsätzlich steuerfrei, doch wird die Sozialversicherungspflicht verschärft und auf 25 Euro Stundenlohn abgesenkt.

  • ARBEIT: Beim Arbeitslosengeld II sollen vier Milliarden Euro gespart werden. Für unter 25-Jährige soll es grundsätzlich keinen eigenständigen Anspruch auf das Geld mehr geben, sondern sie sollen in die Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern eingerechnet werden. Doch wird das ALG II von 331 Euro im Osten auf 345 Euro wie im Westen erhöht. Aktive Arbeitsmarkt-Maßnahmen sollen nur noch dann fortgeführt werden, wenn sie wirksam sind. So sollen Ich-AGs nur noch bis 30. Juni 2006 gefördert und danach soll ein neues Instrument zur Existenzgründung geschaffen werden.

    Beim Kündigungsschutz wird auf Drängen der Union eine weitere Lockerung vorgenommen: Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies vereinbaren, kann die Probezeit von derzeit maximal sechs Monaten auf zwei Jahre verlängert werden. Generell wollen Union und SPD vor allem junge Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren. Der Ausbildungspakt soll fortgeführt werden. Die Koalition will parallel dazu ein Programm für ältere Arbeitnehmer auflegen, um sie länger in Arbeit zu halten.

  • RENTE: Einig sind sich Union und SPD über die Rente mit 67. Ab 2012 soll für Geburtsjahrgänge ab 1970 das Rentenalter schrittweise steigen und vollständig für den ersten Jahrgang bis 2035 abgeschlossen sein. Wer 45 Arbeitsjahre voll hat, soll weiter ohne Abschläge mit 65 in Rente gehen können. Rentenkürzungen soll es nicht geben, doch müssen die Rentner in den nächsten Jahren weiter mit Nullrunden rechnen. Zur Förderung der privaten Altersvorsorge soll die Kinderzulage für ab 2008 geborene Kinder von dann 185 auf 300 Euro steigen. Ab 2007 steigt zudem der Rentenbeitrag von 19,5 auf 19,9 Prozent.

  • GESUNDHEIT: Auf eine Gesundheitsreform konnten sich beide Seiten nicht einigen. Doch soll 2006 versucht werden, ein gemeinsames Modell zu entwickeln. Immerhin soll bei den Arzneimittelkosten gespart werden. In der Pflegeversicherung soll zusätzlich eine private Vorsorge aufgebaut werden.

  • BILDUNG UND FORSCHUNG: Union und SPD wollen die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung bis 2010 um rund drei Milliarden Euro aufstocken. Das Vier-Milliarden-Euro-Programm zur Förderung der Ganztagsschulen soll fortgeführt werden.

  • ATOM: Ihren Streit beim Atomausstieg stellten beide Seiten zurück. So bleibt es bei dem unter Rot-Grün vereinbarten Atomausstieg.

  • INNERES: Die Anti-Terror-Gesetze sollen überprüft werden, außerdem soll eine Anti-Terror-Datei aufgebaut werden. Biometrische Verfahren für Pässe und Personalausweise sollen ausgebaut werden.

  • BUNDESWEHR: Die Wehrpflicht bleibt erhalten. Zum umstrittenen Einsatz der Bundeswehr im Innern vermeiden Union und SPD eine Festlegung.

  • AUSSENPOLITIK: Die strittigen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sollen ausdrücklich ein "Prozess mit offenem Ende" sein. (APA)