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Peter Mandelson: "Was immer wir anbieten, es ist nicht genug."

Foto: EPA/Gillieron
Brüssel/Wien - EU-Handelskommissar Peter Mandelson rechnet mit einem Scheitern der WTO-Konferenz Mitte Dezember in Hongkong. In einem Interview mit der BBC am Freitag schloss er jede Chance auf einen Durchbruch aus. Es gebe aber noch Hoffnungen auf eine Vereinbarung "irgendwann 2006", sagte er.

Mandelson wies darauf hin, dass die EU bereits den Abbau von handelsverzerrenden Agrarförderungen im Ausmaß bis zu 70 Prozent sowie die Reduzierung von Zöllen angeboten habe. Dies sei ein sehr ernst zu nehmendes, tief greifendes Angebot gewesen. "Was immer wir anbieten, es ist den sehr aggressiven landwirtschaftlichen Produzenten und Exporteuren wie Brasilien, Australien, Neuseeland und den USA nicht genug", sagte er. Sollte ein Durchbruch nächstes Jahr erreicht werden, müssten die WTO-Mitglieder vor allem Fortschritte im Bereich Absenkung der Zölle für Industriegüter und eine weitere Liberalisierung bei den Dienstleistungen erreichen.

Keine weiteren Zugeständnisse

Bereits am Donnerstag hatte Mandelson angekündigt, vor dem WTO-Ministertreffen in Hongkong keine weiteren Zugeständnisse machen zu wollen. Frankreich geht jedoch das bisherige Angebot im Agrarbereich schon zu weit; Präsident Jacques Chirac droht mit einem Veto.

Mandelsons Sprecher bemühte sich am Freitag, Mandelsons pessimistische Aussagen abzumildern: Es werde versucht, substanzielle Fortschritte in Hongkong zu machen, sagte er. "Hongkong ist nicht das Ende des Weges."

Auch Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sieht die Chancen auf eine Einigung mittelfristig intakt. "Ich bleibe dabei: Es wird ein Ergebnis in Hongkong geben, wenn auch ein gutes Stück weg von einem optimalen Ergebnis", sagte er im STANDARD-Interview.

Weiteres WTO-Ministertreffen

Umso stärker werde der Zeitdruck sein, denn der US-Kongress sei unter der laufenden "Trade Promotion Authority" nur bis Mitte 2007 dazu verpflichtet, über einen Handelsvertrag ohne Zusätze abzustimmen. "Der Druck der Realität wird letztlich für einen Abschluss sorgen", zeigt sich Bartenstein überzeugt. Notwendig sei jedoch ein weiteres WTO-Ministertreffen Mitte 2006, was für die österreichische EU-Präsidentschaft zusätzliche Arbeit bedeutete.

Bartenstein warnte davor, in Hongkong die EU-Konzessionen in Sachen Landwirtschaft festzuschreiben, ohne dass es zu nennenswerten Fortschritten bei Industriezöllen und Dienstleistungen kommt. Das müsse verhindert werden, denn sonst sei "zu befürchten, dass es der EU bis zum Ende der Doha-Runde noch mehr abverlangt wird, und das wäre nicht akzeptabel." Mandelsons Angebot sei das Äußerste, was die EU zur Landwirtschaft bieten könne. Es sei unter der Bedingung abgegeben worden, dass Schwellenländer wie Brasilien und Indien vergleichbare Zugeständnisse machten.

Passive Manager

Verwundert zeigte sich Bartenstein über das geringe Engagement europäischer Topmanager für Handelsliberalisierung. Die einzige Ausnahme sei kürzlich ein Inserat in der Financial Times gewesen, in dem allerdings kein Österreicher unterschrieben hätte. "Ich bin sicher, dass die Wirtschaft weiß, was hier zu tun ist, aber gegenüber den USA besteht ein deutliches Gefälle beim Lobbyismus für Freihandel und die WTO."

Laut einer Studie der Weltbank würde durch eine vollständige Liberalisierung des Welthandels jedes Jahr bis 2015 weltweit 300 Milliarden Dollar an zusätzlichen Einkommen realisiert werden, behaupten die Autoren der Studie, Kym Anderson und Will Martin. Etwa 45 Prozent davon kämen den Entwicklungsländern zugute. Allein zwei Drittel der Zuwächse kämen durch tief greifende Reformen im Agrarsektor zusammen, hieß es in der Studie. In dem Bereich seien wiederum 93 Prozent durch die Öffnung der Märkte zu realisieren, und nur sieben Prozent durch den Abbau von Exportsubventionen. (Alexandra Föderl-Schmid, Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.11.2005)