"Als ob Mercedes Benz den Stern stilllegen würde": Gerd Bacher über Designpfusch an seinem Lebenswerk ORF.

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Gerd Bacher, längstdienender ORF-General, wird Freitag 80. Harald Fidler berichtete er von Respektlosigkeit auf dem Küniglberg, seinen Generalskandidaten und wann ihm bei VP-Spitzen schlecht wird.

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STANDARD: Das ORF-Zentrum ist offenbar baufällig, der ORF überlegt Sanierung oder Auszug. Sie waren Bauherr: Hat Roland Rainer den Küniglberg tatsächlich nur auf 30, 40 Jahre ausgelegt, weil Fernsehen dann ganz andere Anforderungen an sein Gebäude hat?

Bacher: Keine Rede. Wir haben diesen Bau mit Akribie und unter begleitender Kontrolle betrieben.

STANDARD: Sie sind also für die Erhaltung des ORF-Zentrums?

Bacher: Ja. Ich verfolge die Debatte mit Misstrauen, weil man nicht den Eindruck hat, als hätten die Verantwortlichen mit dem Erbe des ORF allzu viel im Sinn.

STANDARD: Darunter fällt das jüngste Redesign des ORF.

Bacher: Wir hatten Weltklassedesigner, jetzt lässt man irdendjemanden drüber. Man schaffte das ORF-Auge nicht ab, sondern "legte es still". Das ist, als ob Mercedes Benz den Stern "stilllegen" würde. Solche Respektlosigkeit widerspricht intelligentem Marketing, sie missachtet Stil und Tradition.

STANDARD:: Ab 29. November dürfen die ORF-Gebührenzahler sechs von 35 Stiftungsräten wählen. Was halten Sie davon?

Bacher: Wenig.

STANDARD: Das heißt: kein Fax mit Gerd Bachers Stimmzettel?

Bacher: Wahrscheinlich schon, weil Kurt Bergmann unter den Kandidaten ist. Ihn halte ich für den Geeignetsten. Der weiß wirklich, worum es geht. Bergmann war ORF-Generalsekretär, Landesintendant, er kennt sich aus. Ich hoffe sehr, dass er auch in den Stiftungsrat delegiert wird, der ja die größte Enttäuschung überhaupt ist.

STANDARD: Warum?

Bacher: Weil er nicht für die Durchsetzung des an sich tauglichen Gesetzes sorgt. Die ses Gesetz wird sowohl vom Stiftungsrat wie von der Geschäftsführung geschwänzt. Der Sinn des Gesetzes war, den ORF wieder zu einer öffentlich-rechtlichen Anstalt zu machen und den Quotenwahn zu beenden.

STANDARD: Kurt Bergmann würde – als langjähriger ÖVP-Mann bis zu den Wahlkämpfen für Benita Ferrero-Waldner und Waltraud Klasnic – im Stiftungsrat den deklarierten Zielen des Gesetzes widersprechen. Da war groß von Entparteipolitisierung die Rede.

Bacher: Bergmann ist seit vielen Jahren kein Parteifunktionär mehr.

STANDARD: Wie wird die ORF-Wahl 2006 ausgehen?

Bacher: Da sagt VP-Klubchef Wilhelm Molterer bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, manchmal auch der Bundeskanzler: "Die machen ihren Job gut." Wenn ich nur höre, dass die ORF-Aufgaben nur ein "Job" sind, wird mir schon schlecht. Job ist Kommerzialismus pur. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist keine Ware. Ich habe nichts dagegen, dass man beim kommerziellen Fernsehen einen guten Job machen kann. Fürs Geldverdienen bin ich sehr, es ist aber nicht die Hauptaufgabe des ORF.

STANDARD: ORF-Programmplaner Wolfgang Lorenz und Sportchef Elmar Oberhauser bleiben für Sie potenziell beste Generalskandidaten? Und TV-Chefredakteur Werner Mück?

Bacher: Bei der alten Aussage bleibe ich nach wie vor. Werner Mück ist sicher ein ernst zu nehmender Kandidat, weiter will ich ihm nicht schaden.

STANDARD: Woher der Mangel an außergewöhnlichen Leuten im ORF, den Sie im Vergleich zu früher beklagen? Sie sollen das einmal so erklärt haben: Erstklassige Leute holen sich erstklassige Mitarbeiter, zweitklassige aber drittklassige.

Bacher: Da müsste man sehr persönlich werden.

STANDARD: Sie betonen oft die Unabhängigkeit des ORF nach dem Rundfunkvolksbegehren, unter Ihrer Führung ab 1967. Um bis 1994 viermal wiedergewählt zu werden, machten auch Sie Konzessionen.

Bacher: Totale Unabhängigkeit war nur in den ersten acht Jahren der Fall. Der einzige Bundeskanzler der Zweiten Republik, der am Schicksal des ORF mehr interessiert war als an seinem in der "ZiB", war Josef Klaus (VP).

STANDARD: Bruno Kreisky (SP) brauchte ein neues Rundfunkgesetz, um Sie 1974 loszuwerden, die ÖVP 2001 ein neues Gesetz, um Gerhard Weis als ORF-Chef loszuwerden.

Bacher: Seit Kreiskys Gegenreform, die massiv wieder die Parteipolitik hereingebracht hat, ist dieses Spiel wieder eröffnet und bis zum heutigen Tag nicht beendet.

STANDARD: Von Ihrem Lebenswerk ORF können Sie nicht loslassen.

Bacher: Das mag stimmen. Nur Rabenväter nabeln sich ab. (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.11.2005)

Das Interview mit Gerd Bacher in voller Länge.

STANDARD: Das ORF-Zentrum ist offenbar baufällig, der ORF überlegt Sanierung oder Auszug an einen neuen Standort. Was sagt dazu Bauherr Gerd Bacher? Hat Roland Rainer den Küniglberg tatsächlich nur für 30, 40 Jahre ausgelegt, weil das Medium dann ohnehin ganz andere Anforderungen an sein Gebäude hat?

Bacher: Keine Rede. Ich wundere mich: Wir haben diesen Bau mit Akribie und unter begleitender Kontrolle betrieben.

STANDARD: Nun könnte man sagen: Die Größe des Gebäudes erzwingt geradezu dessen Nutzung mit möglichst vielen Mitarbeitern, obwohl man heute viel schlanker produzieren könnte.

Bacher: Der ORF engagiert Personal dazu, voriges Jahr mehr als 1000, statt den Personalstand entscheidend zu verkleinern. Man hätte versuchen sollen, sowohl das ORF-Zentrum wie noch viel mehr die Landesstudios zu Kommunikationszentren umzuorganisieren, wo die Privaten zu Marktpreisen produzieren können.

STANDARD: Sie sind also für die Erhaltung des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg?

Bacher: Ja. Ich verfolge die Debatte mit Misstrauen, weil man nicht den Eindruck hat, als hätten die Verantwortlichen mit dem Erbe des ORF allzu viel im Sinn.

STANDARD: Darunter fällt wahrscheinlich auch das jüngste Redesign des ORF.

Bacher: Wir erstellten als erste Rundfunkanstalt in Europa ein Corporate Design. Wir hatten Weltklassedesigner: Erich Sokol, der Silber, ORF-Auge, entsprechende Arbeitskleidung, einheitliches Büro- und Schriftmaterial usw. einführte. 25 Jahre später holten wir uns den noch weltberühmteren Neville Brody aus London. Und jetzt lässt man Irgendjemanden drüber; man schaffte z.B. das ORF-Auge nicht ab, sondern "legte es still". Das ist, als ob Mercedes Benz den Stern "stilllegen" würde. Solche Respektlosigkeit widerspricht intelligentem Marketing, sie missachtet Stil und Tradition. So einen tollen Wurf wie jenen des Erich Sokol schafft man nie ab. Das war eines der schönsten Symbole, die es in Europa für eine Rundfunkanstalt gab.

STANDARD: Wenn auch mit deutlichen Anleihen beim Logo des US-Senders CBS.

Bacher: CBS hat nicht bei uns protestiert.

STANDARD: Ab 29. November dürfen die ORF-Gebührenzahler sechs von 35 Stiftungsräten per Fax wählen. Was halten Sie von der Wahl?

Bacher: Wenig.

STANDARD: Das heißt, bis 5. Dezember wird kein Fax mit Gerd Bachers Stimmzettel eintrudeln?

Bacher: Ich werde wahrscheinlich schon eines abschicken, weil Kurt Bergmann unter den Kandidaten ist. Ihn halte ich für den Geeignetsten. Der weiß wirklich, worum es geht. Bergmann, ORF-Generalsekretär, Landesintendant, er kennt sich aus. Ich hoffe sehr, dass er auch in den Stiftungsrat delegiert wird, der ja die größte Enttäuschung überhaupt ist.

STANDARD: Warum?

Bacher: Weil er nicht für die Durchsetzung des an sich tauglichen Gesetzes sorgt. Dieses Gesetz wird sowohl vom Stiftungsrat wie von der Geschäftsführung geschwänzt. Der Sinn des Gesetzes war, den ORF wieder zu einer öffentlich-rechtlichen Anstalt zu machen und den Quotenwahn zu beenden.

STANDARD: Kurt Bergmann würde – als langjähriger ÖVP-Mann bis zu den Wahlkämpfen für Benita Ferrero-Waldner und Waltraud Klasnic – im Stiftungsrat den offiziell deklarierten Zielen des Gesetzes widersprechen. Da war ja immer groß von Entparteipolitisierung die Rede.

Bacher: Bergmann ist seit vielen Jahren kein Parteifunktionär mehr.

STANDARD: Der Vollständigkeit halber: Wo schwänzen die Stiftungsräte zum Beispiel?

Bacher: Sie hätten nie das Programmschema genehmigen dürfen. So beginnt's. Eine Hauptforderung dieses neuen Rundfunkgesetzes ist, dass auf einem der beiden Kanäle im Hauptabend ("Primetime") ein anspruchsvolles Programm laufen soll. Davon ist keine Rede.

STANDARD: Das Programmschema hat auch unter General Gerd Bacher nur grob Programmsparten definiert.

Bacher: Aber es gab den Grundsatz des alternativen Kontrastprogramms, eine Schöpfung Jörg Mauthes: War ein Kanal breit programmiert, zeigte der andere in der Mehrheit der Tage Anspruchsvolles. Wofür hat man sonst zwei Programme?

STANDARD: Womit ich Sie nicht mehr fragen muss, ob 2001 jene ORF-Reform kam, die Sie als Berater dieser Reform wollten.

Bacher: Diese Reform fand nicht statt. Mit diesem Rundfunkgesetz hätte man das Unternehmen selbstverständlich reformieren können. Ich wäre froh gewesen; statt der Kreisky-Gegenreform mit einem solchen Gesetz arbeiten zu dürfen.

STANDARD: Dieser Tage wollen ÖVP und FPÖ einen Teil jener Werberegeln lockern, die erst 2001 verschärft wurden.

Bacher: Ich war gegen die Verschärfung der Werberegeln – mit Ausnahme der Schleichwerbung. Die Ringwerbung der Bundesländer zu streichen war ein unsinniges Geschenk an die Zeitungen. Das teuerste am ORF sind die Landesstudios. Die Länder wollen sie verständlicherweise, aber sie verweigern dem ORF das Geld, das er dazu braucht. So hungert man die Landesstudios bis zur Auflösung aus.

STANDARD: Sie sprechen von den Länderanteilen an den Gebühren.

Bacher: Bund und Länder kassieren ohne Gegenleistung ein starkes Drittel der ORF-Gebühren. Dieses Drittel und die vom Bund gewährten Gebührenbefreiungen müsste der ORF bekommen, bzw. müssten ihm die Gebührenbefreiungen refundiert werden. Dann könnte man die Werbequote des ORF entscheidend verkürzen. Das würde sowohl dem kommerziellen Fernsehen sehr helfen, wie dem ORF-Programm gut tun. Ein nur auf Quoten ausgerichtetes Programm ist der Feind des anspruchsvollen Programms. Aber wenn man das alles nicht tut, muss man dem ORF die Ringwerbung seiner Regionalradios wieder erlauben. Solche Überlegungen sind dem Bundeskommunikationssenat fremd. Dessen Sympathie gehört ganz offensichtlich den kommerziellen Sendern.

STANDARD: Es geht – bei beiden – darum zu kontrollieren, ob sie geltende Gesetze einhalten.

Bacher: Der ORF ist informations- und kulturpolitisch allein von Gewicht. Die Privaten sind der ehrenwerte Versuch, Geld zu verdienen. Für die Grundversorgung der Republik sind sie unerheblich.

STANDARD: Vielleicht auch, weil der ORF zu groß ist.

Bacher: Primär kommt es darauf an, ob der ORF seine gesetzlichen Aufgaben erfüllen kann. Die künstliche Ernährung der Privaten auf einem zu kleinen Markt steht auf einem anderen Blatt. Der ORF war eine der anerkanntesten europäischen Stationen. Das könnte und sollte er heute mehr denn je sein. Immer haben wir davon geträumt, dass wir der Ost- und Südostsender schlechthin werden. Würde dem Vaterland nützen, und, und, und...

STANDARD: 2006 stehen uns ORF-Wahlen und Nationalratswahlen ins Haus. Nach den jüngsten Landtagswahlen, was erwarten Sie für jene zum Nationalrat?

Bacher: Das ist jetzt natürlich Kaffeesudlesen. Ich bin ziemlich sicher, dass Wolfgang Schüssel das wieder schafft. Es macht einen Unterschied, ob Länder wählen wie in Salzburg und Steiermark, wo die ÖVP-Krise hausgemacht war, oder ob Schüssel Gusenbauer gegenübersteht.

STANDARD: Wie wird die ORF-Wahl ausgehen?

Bacher: Da sagt ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, manchmal auch der Bundeskanzler: "Die machen ihren Job gut". Wenn ich nur höre, dass die ORF-Aufgaben nur ein "Job" sind, wird mir schon schlecht.

STANDARD: Was stört sie am Begriff Job?

Bacher: Job ist Kommerzialismus pur. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist keine Ware. Ich habe nichts dagegen, dass man beim kommerziellen Fernsehen einen guten Job machen kann. Der Sinn des kommerziellen Fernsehens ist das Geldverdienen. Fürs Geldverdienen bin ich sehr, es ist aber nicht die Hauptaufgabe des ORF.

STANDARD: Sie glauben Molterer also, dass Monika Lindner wieder Generaldirektorin werden soll?

Bacher: Die Mehrheit ihrer Direktoren dürfte die nächsten ORF-Wahlen nicht überleben. Monika Lindner schon.

STANDARD: Sie haben in unserem vorigen Gespräch Wolfgang Lorenz und Elmar Oberhauser als die potenziell besten Kandidaten für die Funktion des ORF-Generals genannt.

Bacher: Ich will keine weiteren Namen nennen. Bei der alten Aussage bleibe ich nach wie vor.

STANDARD: Könnte es TV-Chefredakteur Werner Mück?

Bacher: Werner Mück ist sicher ein ernstzunehmender Kandidat, weiter will ich ihm nicht schaden.

STANDARD: Wie fanden Sie die Sommergespräche?

Bacher: Gut – mit einem Einwand: Armin Wolf, der natürlich ein erstklassiger Mann ist, überschreitet immer wieder die Grenzen zwischen scharfem Interview und Verhör. Weil er so verliebt ist in seine Verhöre, man beachte die Mimik, befasst er sich zu sehr mit der Vergangenheit = Tatort, zu Lasten von Gegenwart und Zukunft. Ich hätte lieber mehr Gegenwart und Zukunft. Mit Schüssel ist er trotzdem nicht fertig geworden, mit den anderen spielend. Haider hat er buchstäblich gelähmt.

STANDARD: War das also eine richtige oder falsche Entscheidung Mücks, Wolf fragen zu lassen?

Bacher: Eine richtige. Das waren die besten Sommergespräche. Nochmals: Sie heißen nicht "Sommerverhöre".

STANDARD: Kommen wir zurück zu Mück. Als kritischer Beobachter muss ich...

Bacher: Mück macht mustergültige Kommentare. Gescheit, methodisch, objektiv. Also ich als Regierung hätte mit seinen Kommentaren nicht immer ungeteilte Freude. Außerdem ist Mück ein souveräner Profi. Es ist das alte Spiel, das die Zeitungen mitmachen: die Opposition macht Treibjagd auf den jeweiligen Chefredakteur.

STANDARD: Mücks "ZiB"-Konzert samt Kommentar zur Türkei rund um die Steiermarkwahlen fand aber nicht nur ich alleine eher unobjektiv.

Bacher: Das dürfte an Ihnen liegen. Ich empfand die ORF-Berichterstattung als ärgerlich, sie war nämlich durchgehend von der Sorge getragen, dass sich unsere Außenpolitik zu viel traue. Die Berichterstattung der meisten österreichischen Medien war für mich jämmerlich, sehr österreichisch. Man hätte das anders sehen können: Österreich als Land der Sanktionen repräsentiert als einziges EU-Land die überwiegende Meinung der Europäer zu einem Beitritt der Türkei. Österreich als kleines Land zeigt den schwächlichen Hegemoniemächten Frankreich, England, Deutschland, dass die Kleinen Rechte haben. Dänemark hat das schon mehrmals vorexerziert. Österreich setzt, wenn auch vom Kanzler staatsmännisch dementiert (Warum eigentlich?) die sofortige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien durch. Es wäre ja auch grotesk gewesen: Mit der Türkei zu verhandeln, aber mit einem seit Jahrhunderten zu Mitteleuropa zählenden und heute fast EU-reifen Kroatien nicht.

STANDARD: Der Vorstoß kam rein zufällig unmittelbar vor der Steiermarkwahl?

Bacher: Das scheint mir an Paranoia zu grenzen: Landtagswahlen werden durch Außenpolitik entschieden!

STANDARD: Mich wundert Ihre ungebrochene Schüssel-Begeisterung, von dem Sie in zentralen Punkten enttäuscht wurden.

Bacher: Ich kenne keinen Bundeskanzler, von dem ich nicht enttäuscht worden wäre. Ich halte Schüssel nach wie vor mit Kreisky für die interessantesten österreichischen Bundeskanzler.

STANDARD: Ihr wichtigstes Lebensereignis liegt auf der Hand.

Bacher: Der ORF.

STANDARD: Sie können nicht loslassen.

Bacher: Das mag schon stimmen, nur Rabenväter nabeln sich ab.

STANDARD: Woher kommt der Mangel an außergewöhnlichen Leuten im heutigen ORF?

Bacher: Da müsste man sehr persönlich werden.

STANDARD: Sie kamen nach dem Rundfunkvolksbegehren von 1964 in den ORF.

Bacher: Obwohl ich mit dem Volksbegehren damals gar nichts zu tun hatte. Ich habe damals als Geschäftsführer Fritz Moldens seinen neu gegründeten Buchverlag aufgezogen und war mit Arbeit mehr als eingedeckt.

STANDARD: Wie haben Sie davon erfahren, dass Sie Generalintendant dieses neuen ORF werden sollen?

Bacher: Wenn ich mich recht erinnere, in meinem Büro im damaligen Molden-Hochhaus...

STANDARD: ... dem heutigen Pressehaus in der Wiener Muthgasse.

Bacher: Ein paar von den Chefredakteuren, die das Volksbegehren initiiert hatten, besuchten mich dort. Das Gespräch kam sofort auf Rundfunkreform und den Generalintendanten. Ich fragte sie, habt ihr dieses Wundertier schon? Die Antwort: Ja, dich. Ich spiele jetzt wirklich nicht den Unschuldigen: Ich war so baff.

STANDARD: Sie waren zuvor schon Chefredakteur von "Bild-Telegraph" und "Express", dann eben Manager des Molden-Verlags.

Bacher: Ich nahm das Ansinnen überhaupt nicht ernst. Aber ich gebe zu: Je mehr das in den Zeitungen stand und je mehr sich auch die öffentliche Debatte mit mir beschäftigte, desto mehr begann ich mich dafür zu interessieren. Ich bin ein Mensch, den große Dinge mehr interessieren als kleine. Ich gebe zu: Mir kann nichts groß genug sein. Das fasziniert mich, weil die Möglichkeiten so interessant sind, die die Größe bietet.

STANDARD: Sie betonen häufig die Unabhängigkeit des ORF nach dem Volksbegehren, unter Ihrer Führung. Um bis 1994 insgesamt vier Mal wiedergewählt zu werden, mussten aber auch Sie Konzessionen machen.

Bacher: Die totale Unabhängigkeit, wie ich sie mir gewünscht habe, war nur in den ersten acht Jahren der Fall. Der einzige Bundeskanzler der Zweiten Republik, der am Schicksal des ORF mehr interessiert war als an seinem in der "ZiB", war Josef Klaus. Als ich am 9. März 1967 gewählt wurde, rief er mich als Erster an. Aber nicht etwa, um mir zu sagen: "Sie wissen schon, wem Sie das verdanken." Er sagte: "Sie wissen, dass Sie ursprünglich nicht mein Kandidat waren. Ich gratuliere Ihnen jetzt aber. Ich verspreche Ihnen eines: Ich werde nie bei Ihnen politisch intervenieren. Und wenn ich dieses Versprechen vergesse, erinnern Sie mich daran." Er hat sich daran gehalten.

STANDARD: Zum Dank haben Sie den Roten Helmut Zilk zum Fernsehdirektor gemacht.

Bacher: Man muss sich das vorstellen: Die SPÖ ist gegen das Rundfunkvolksbegehren. Die SPÖ ist gegen das neue Rundfunkgesetz. Die SPÖ ist gegen meine Wahl zum ORF-Generalintendanten. Und ich hole einen roten Fernsehdirektor und den "AZ"-Chefredakteur und Obersozi Franz Kreuzer als Chefredakteur. Klaus fragte mich einmal: Hatten Sie da kein schlechtes Gewissen. Darauf ich: Bauchweh ja, weil mich jene, die mich gewählt haben, für ein undankbares Gfries halten mussten. Schlechtes Gewissen nein, weil mit Zilk der mit Abstand beste Fernsehdirektor und Kreuzer der beste Chefredakteur war. Klaus hat das als Begründung akzeptiert. Klaus war fest davon überzeugt, dass zur Grundausstattung einer modernen Demokratie ein großer, unabhängiger Rundfunk gehört. Die ÖVP war zu einem großen Teil genauso grantig wie die SPÖ, den ORF hergeben zu müssen. Kreisky drohte sogar mit Gegensendern, als ich seine Personalwünsche 1967 nicht erfüllte.

STANDARD: Bruno Kreisky (SPÖ) revanchierte sich mit dem Rundfunkgesetz von 1974.

Bacher: Kreisky hat sich als der ärgste ORF-Schädling erwiesen. Die Wiedereinführung der Parteipolitik in den ORF war seine Gegenreform von 1974. Kreisky wusste, er bringt mich nicht weg, weil viele der sozialdemokratischen Aufsichtsräte für mich stimmten. Das war der Hauptgrund für das neue Gesetz, das aus 22 Aufsichtsräten 30 Kuratoren machte, aus zwei Betriebsräten sechs. Wer glaubt, ich sah mich als prinzipieller Widerstandskämpfer gegen Kreisky, irrt. Dazu war er ein viel zu interessanter Politiker. Mir gings um die Unabhängigkeit des ORF und um meinen Überlebenskampf als Generalintendant.

STANDARD: Kreisky brauchte ein neues Gesetz, um Sie loszuwerden, die ÖVP verwendete 2001 ein neues Gesetz, um Gerhard Weis als ORF-Chef loszuwerden. Die ÖVP verkaufte das mit einer angeblichen Entparteipolitisierung.

Bacher: Seit Kreiskys Gegenreform, die massiv wieder die Parteipolitik hereingebracht hat, ist dieses Spiel wieder eröffnet und bis zum heutigen Tag nicht beendet.

STANDARD: Seit 2001 sind im Stiftungsrat des ORF offene Abstimmungen vorgeschrieben, was zur Fraktionstreue beiträgt.

Bacher: Ich wäre nie in offener Abstimmung wiedergewählt worden.

STANDARD: Was wünschen Sie sich zum Geburtstag vom ORF?

Bacher: Ein öffentlich-rechtliches Programm.

STANDARD: Ein Geburtstagswunsch abseits des ORF?

Bacher: Es geht mir so gut. Ich kann nur den fadesten aller Wünsche sagen: Gesundheit. Immerhin werde ich 80. Ich brauche gar nichts außer Kraft.

STANDARD: Die wünschen wir Ihnen.