Dass Polen ein katholisches Land ist, ist ja nun keine Neuigkeit. Vielleicht, mutmaßte L., funktioniere der "Polski Lektor" hier ja gerade deshalb so gut. Wegen der Litanei: Nach fünf Jahren in Krakau, sagte L., habe er sich nämlich an den Polski Lektor gewöhnt. Und manchmal, erzählte L., schaffe er es sogar, den Polski Lektor gar nicht, aber die Stimmen darunter sehr gut zu hören. Und um das zu erklären, schaltete L. den Fernseher ein. Da war er, der Polski Lektor.

Auf dem Bildschirm ritten und fochten Zorro-Lookalikes. Schöne Frauen schmachteten. Herzen brachen. Man hörte - leise - englische Echtstimmen. Der Polski Lektor leierte drüber: Gnadenlos monoton und von Dramatik und Filmlautstärke unbeirrt.

Übersprecher

Der Polski Lektor ist der Übersetzer. Der Übersprecher. Die Stimme. Die einzige. Für alles: Einer für alle, alle für einen. Kinder, Frauen, Männer - nur Pferdewiehern ließ der Mann am Mikro aus. Obwohl das sicher auch reizvoll und machbar wäre: Die hohe Kunst des Polski-Lektorentums, erklärte L. (und hörten wir), bestehe ja darin, praktisch ohne Modulation, Emotion und jedwede andere Parteilichkeit alles zu sagen, was im Film gesagt wird.

Gibt es auch Polski-Lektor-Pornos?

Wir waren beeindruckt. Dann kam die Frage: Pornos - gibt es auch Polski-Lektor-Pornos? Das müsste doch ein akustischer Hauptspaß sein. L. wurde rot. Dazu, meinte er, könne er leider nichts sagen. Schließlich sei Polen ein katholisches Land. (rott/DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2005)