Wien - Der Ausschluss von homosexuellen Lebensgefährten aus der Mitversicherung in der sozialen Krankenversicherung ist verfassungswidrig. Das hat der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Karl Korinek, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Der VfGH ändert damit im Lichte der jüngsten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) seine Spruchpraxis. 1998 und 2001 war hier noch keine Verfassungswidrigkeit erkannt worden.

Nun hat der VfGH die entsprechenden Bestimmungen im Sozialversicherungsrecht als diskriminierend erkannt. Bisher galt, dass Personen, die mit einem Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt leben und den Haushalt unentgeltlich führen, in der Krankenversicherung mitversichert sind. Voraussetzung war allerdings, dass die mitversicherte Person "andersgeschlechtlich" ist.

Diese Formulierung verstößt für den VfGH gegen den Gleichheitsgrundsatz, da es "keine sachliche Rechtfertigung" gebe, die Mitversicherung nur andersgeschlechtlichen Partnern zuzugestehen, wie Korinek erläuterte. Die Argumentation der Bundesregierung, wonach "familienpolitische Anliegen" als Motiv für die aufgehobenen Bestimmungen genannt wurden, wies der VfGH zurück. Die Regelung habe nicht auf das Vorhandensein von Kindern abgestellt und es sei auch nicht zu erkennen, dass ein "nennenswerter Anreiz in diese Richtung" geschaffen hätte werden sollen.

Das Höchstgericht hat eine Reparaturfrist von neun Monaten festgelegt. Laut Korinek hat die Politik diesbezüglich verschiedene Möglichkeiten. So sei theoretisch möglich, die Mitversicherung auf die Verwandtschaft einzuschränken oder auf Haushalte, wo Kinder versorgt werden müssen. Im Detail wolle er aber nicht beurteilen, welche Differenzierungen verfassungsrechtlich in Ordnung wären und welche nicht. Klar sei aber, dass die Geschlechtlichkeit kein Kriterium sein dürfe.

Rauch-Kallat kündigt rasche Änderung an

Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) will "rasch" auf den VfGH-Entscheid zur Mitversicherung von gleichgeschlechtlichen Personen reagieren. Wie eine Neuregelung aussehen könnte, wollte sie am Donnerstag noch nicht skizzieren. Zunächst sei die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses abzuwarten. Sie sei aber "gegen jede Form von Diskriminierung", so die für die Sozialversicherung zuständige Ministerin.

Rauch-Kallat betonte, dass die aufgehobene Bestimmung nicht in ihrer Amtszeit, sondern schon 1981 in der jetzigen Form beschlossen worden sei. Im VfGH-Verfahren habe die Regierung vorgeschlagen, einfach das Wort "andersgeschlechtlich" bei der Einschränkung der Mitversicherung zu streichen, wie Rauch-Kallat erläuterte. "Das wäre nicht diskriminierend." Da nun aber die gesamte Regelung aufgehoben wurde, werde man eine andere Lösung suchen, die der Verfassung und den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entspreche.

Klar ist für sie aber, dass es weiter einen Versicherungsschutz für Personen, die mit einem Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt leben und den Haushalt unentgeltlich führen, geben muss. "Sonst wären tausende Lebensgefährten und Lebensgefährtinnen nicht mehr versichert." Und das könne nicht in ihrem Interesse sein, so die Ministerin. (APA)