"Zum Unabhängigkeitstag die Regierung" titelte pathetisch Polens katholisch-nationalistisches Unser Tagblatt. "Was uns heute fehlt, ist ein neuer Pilsudski", hieb auch Polens größte Boulevardzeitung Fakt in die patriotische Kerbe. Tatsächlich konnte Kazimierz Marcinkiewcz am Donnerstag sicher sein, dass er die Vertrauensabstimmung über die von ihm geleitete Minderheitsregierung der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gewinnen würde. Schon am Vortag hatten Andrzej Lepper von der linkspopulistischen Bauernpartei Selbstverteidigung (Samoobrona) und Roman Giertych von der rechtsradikalen Liga der polnischen Familien (LPR) versichert, dass ihre Fraktionen geschlossen hinter der neuen Regierung stehen würden.

Koalition gescheitert

Zwar ist die PiS als stärkste Partei aus den Parlamentswahlen im September hervorgegangen, doch mit 155 Sitzen im Sejm war nur eine Minderheitsregierung auf die Beine zu stellen. Mit der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) und deren 133 Stimmen hätte PiS eine komfortable Mehrheit erreicht, doch schon im Wahlkampf und später in den Koalitionsverhandlungen brachen zwischen den beiden Parteien so gravierende Konflikte auf, dass die lang angekündigte Koalition scheiterte.

PiS-Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski hatte allerdings längst einen Plan B vorbereitet und aktiv den Kontakt zu den rechtsradikalen und populistischen Parteien und deren Wählern gesucht. Dieser Plan ging nun auf. Mit den 56 Stimmen von Samoobrona und den 34 der Liga hat die PiS eine Mehrheit im Sejm und kann regieren. Vorgezogene Neuwahlen, wie sie der scheidende Staatspräsident Aleksander Kwasniewski als letzten Ausweg ankündigte, wird es vorerst nicht geben.

"Radikale Säuberung"

Mit einer "moralischen Revolution" will Polens neuer Regierungschef den Staatsapparat zunächst "radikal säubern". Korruption und Verbrechen sollen schärfer geahndet werden als bisher. Neben einer neu zu schaffenden Antikorruptionsbehörde, die die polnischen Beamten scharf überwachen wird, sollen auch Massenentlassungen in Polizei und Geheimdiensten für künftige "Sauberkeit" in Staat und Wirtschaft sorgen. Der Militärgeheimdienst soll völlig aufgelöst und an seiner Stelle ein Abwehrdienst mit Vertrauensleuten der Zwillingsbrüder Jaroslaw und Lech Kaczynski (künftiger Staatspräsident) geschaffen werden.

Abgeschafft wurde auch schon das Amt für Gleichstellung von Frau und Mann. Dafür sollen Mütter demnächst länger zu Hause bleiben und ein höheres Babygeld erhalten. Die Liga forderte bereits eine weitere Verschärfung des ohnehin bereits sehr rigiden Abtreibungsrechts. Weder Vergewaltigung noch eine schwere Behinderung des Kindes sollen demnächst einen Schwangerschaftsabbruch rechtfertigen können. Über den Gesetzesentwurf muss demnächst der Sejm beraten. Die hohe Arbeitslosigkeit in Polen will Marcinkiewicz mit einem gigantischen Wohnbauprogramm und billigen Krediten bekämpfen. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2005)