Yves Saint Laurent mit Betty Catroux

Foto: Der Standard

Eine Smoking-Variante

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Als Yves Saint Laurent vor bald vier Jahren mit einer spektakulären Modenschau im Pariser Centre Pompidou seinen Abschied feierte, schickte er die schönsten Frauen, die seine Karriere begleitet hatten, noch einmal über den Laufsteg: Catherine Deneuve, Claudia Schiffer, Laetitia Casta, Naomi Campbell, Jerry Hall. Sie alle waren dabei, und sie trugen allesamt Schwarz: Sie trugen Smoking. Es sollte kein Trauerzug sein, sondern vielmehr Hommage an das Kleidungsstück, mit dem Saint Laurent Modegeschichte geschrieben hat.

Skandal Nummero eins

Als er 1966 das erste Frauenmodell entwarf und in seiner Haute-Couture-Schau präsentierte, war die Modewelt schockiert: Eine Dame in Herrengarderobe, am Abend, das hatte es noch nie gegeben. Die Tragweite dieser Übertretung war sofort spürbar gewesen. Es war der Beginn einer Revolution: Chanel hatten den Frauen die Freiheit gegeben, Saint Laurent die Macht. Denn der Herrenanzug, zumal der Smoking als seine feierliche Steigerung, war Symbol männlicher Macht. Mit dem Smoking für die Frau, so hat es sein Geschäfts-und Lebenspartner Pierre Bergé formuliert, hat Saint Laurent das Feld der Ästhetik verlassen und das des Sozialen betreten. Er selbst pflegt ihn als unentbehrliches Kleidungsstück für die Frau zu bezeichnen. Sie kann sich wohl in ihm fühlen, weil sie sich beständig auf der Höhe der Zeit weiß: "Denn es ist ein Kleidungsstück des Stils, nicht der Mode", sagt der Meister und fügt hinzu: "Die Moden ändern sich, der Stil bleibt."

Saint Laurent blieb dem Frauensmoking treu

Fast vierzig Jahre lang hat er ihn immer wieder neu erfunden, hat das Grundmodell durchdekliniert, hat weibliche Spielarten in seine Kollektionen eingebaut, hat den Damensmoking dem Zeitgeschmack angepasst, hat ihn radikalisiert, feminisiert. Insgesamt an die 250 Modelle hat er entworfen, rund 50 davon sind zurzeit in der Fondation Pierre Bergé Yves Saint Laurent zu sehen: "Smoking Forever" ist der Titel der Ausstellung. Und weil es um Macht geht, auch um Kalkül, hat sie Christophe Martin, der sich als Bühnenbildner von Robert Wilson einen Namen gemacht hat, als Schachspiel inszeniert: Der Boden ist ein riesiges Spielbrett, auf dessen schwarzen und weißen Feldern die Figuren stehen. Es sind keine Bauern, auch keine Springer darunter. Hier ist die Königin am Zug. Nur sie allein. Und sie ist schwarz.

Es ist tatsächlich ein aufregendes Unterfangen, ihren Siegeszug auf dieser Ausstellung nachzuvollziehen. 1966 tritt die Königin der Macht, die Machtfrau, das erste Mal auf den Spielplan. Sie trägt noch Kummerbund und unter der taillierten Smokingjacke ein weißes Rüschenhemd. Statt mit strenger Fliege schmückt sich die neue Herrscherin mit Satinschleife am Hals. Sie tritt selbstsicher, aber zugleich verspielt und sogar ironisch auf. Sie zeigt sich revolutionär und klassisch zugleich.

Skandal Nummero zwei

Zwei Jahre später ist das weiße Rüschenhemd bereits gegen eine durchsichtige schwarze Schluppenbluse aus Chiffon eingetauscht. Wieder ein Skandal: Zum ersten Mal wagte ein Modeschöpfer, unter transparenten Stoffen die nackten Brüste seiner Haute-Couture-Kundinnen zu zeigen. Aber man schrieb das Jahr '68, und im Nachhinein wirkt dieses Wagnis wenig gewagt, die schwarze Abendgarderobe der Dame von Welt wie die samtene Variante der Revolution. Während auf der Straße die Flower-Power defilierte, konnte Frau mit diesem Smoking leicht bekleidet über den roten Teppich schreiten. Bald darauf trug die Dame von Welt gar nichts mehr unter ihrer Smokingjacke.

Erotisches Kleidungsstück

Wie jede Modeausstellung wirkt auch "Forever Smoking" etwas erstarrt. Kleider müssen sich bewegen. Sie wollen vorgeführt werden, weil ihre Trägerinnen verführen wollen. Auch als Männer verkleidet. Oder gerade dann. Denn dass der Smoking als erotisches Kleidungsstück erdacht wurde, bezeugen die Entwurfsskizzen. Eines aber erlaubt dieser museale Modeparcours in jedem Fall: nachzuvollziehen, wie sich der Zeitgeschmack, die Formensprache verändert haben, wie Länge und Formen variieren, wie sich mit Materialen Aussagen machen lassen.

So kann die Smokingjacke bis kurz über die Brust reichen oder bis hin zum Knie gehen, der Revers kann protzig oder streng sein, der Smoking selbst kann als langes Kleid oder als kurzer Rock daherkommen, mit Knickerbockern oder mit Shorts, mit Bolero-Jäckchen oder als Overall, er kann aus Samt oder Satin sein, mit Pailletten besetzt, verspielt oder streng. Schwarz, so hat es Saint Laurent formuliert, ist ein Refugium. Man darf das getrost mit Versteck übersetzen.

Im Smoking betritt die emanzipierte Frau die gesellschaftliche Bühne, in ihm zeigt sie sich und versteckt sich zugleich. Er ist die Tarnkappe zur Macht. Denn letztlich kann er noch so weiblich sein, der Smoking bleibt eine schöne Uniform.
(Martina Meister/Der Standard/rondo/11/11/2005)