Graz/Wien – Was auch immer die Generalversammlung (GV) des SK Sturm am Dienstagabend im Puntigamer-Haus beschloss, könnte demnächst nichtig sein. Der Wiener Rechtsanwalt Ernst Brandl, der mit Sturm schon lange verbunden ist, seit 25. Oktober laut Schreiben des Klubs Mitglied (Mitgliedskartennummer 87973), wurde am Besuch der GV gehindert. Begründung: Seine Mitgliedschaft sei ein "Sekretariatsversehen". Brandl: "Wenn das durchgeht, dann kann jeder Vereinsvorstand ganz einfach lästige Mitglieder dadurch los werden, indem er sich auf einen Irrtum des Sekretariats bei der Aufnahme beruft."

Als Grund seiner Fernhaltung vermutet Brandl vielmehr einen von ihm am 3. November an Sturm abgeschickten Antrag zur GV auf "Bestellung eines Sondervertreters" nach §25 Vereinsgesetz, der Aufschlüsse über die Geschäftstätigkeiten des Klubs (Transfer Amoah ohne Vorstandsbeschluss? Zweckwidrige Verwendung von Geldern? Konkursverschleppung? In-Sich-Geschäfte von Vorstandsmitgliedern und Verein?) verlangte. Danach muss der Sondervertreter prüfen, ob schadenersatzrechtliche Ansprüche des Vereins gegen den Vorstand bestehen. Brandl will die Frage seiner Mitgliedschaft dem Vereinsschiedsgericht vorlegen und die Beschlüsse der GV, vor allem die Entlastung des Vorstands (mit 98:55 Stimmen) anfechten. Sollte das Vereinsschiedsgericht Brandls Mitgliedschaft nicht bestätigen, kann er vor ein ordentliches Gericht gehen.

Hannes Kartnig (54) muss sich in angemessener Frist auf einer außerordentlichen GV einen neuen Nachfolger als Sturm-Präse suchen. Am Dienstag trat Präsidentenanwärter Carlo Platzer (46) samt seiner Liste zurück – wegen höherer Altlasten als erwartet und dem Fehlen von Bankgarantien. Platzer hätte "Verbindlichkeiten bis zu einer Million Euro" übernommen.

Der Rechnungsprüfer Peter Imre bezifferte das "negative Eigenkapital mit 5,7 Millionen Euro". Die Verbindlichkeiten müssen also höher sein. Vier Millionen sind angeblich durch Garantien des Vorstands gedeckt, der "Liquiditätsbedarf" für die laufende Saison beträgt rund zwei Millionen Euro.

Nachfragen nach Zahlen der (gesetzlich vorgeschriebenen) Offenlegung der Bilanz wurden vom mehrfach beleidigt abdampfenden Kartnig samt Anhang abgewürgt. Johann Sulzberger redete Tacheles. Wollte jemand Details wissen, "ist Puntigamer berechtigt, den Sponsorvertrag zu kündigen". Kartnig verwies auf das Datenschutzgesetz. Brandl: "Absurd, Datenschutz gilt den Persönlichkeitsdaten und nicht den wirtschaftlichen Daten des Vereins, über die der Vorstand nach Vereinsgesetz den Mitgliedern Rechenschaft ablegen muss."

Der Wirtschaftsprüfer Friedrich Kaltenbrunner bezeichnete auf der GV die (zu Mittag erhaltene) Liquiditätsplanung des Klubs als "plausibel", Sturm könnte also das Spieljahr überleben. Die Lage scheint trotz gegenteiliger Versicherungen am Dienstag (Einstieg von Sponsor Security Services Austria, persönliche Haftungen der Vorstandsmitglieder) so dramatisch, dass man laut Kaltenbrunner monatlich einen aktualisierten Liquiditätsbericht an die Liga schickt. Kaltenbrunner prüft für Sturm die Lizenzunterlagen, die Bundesliga erteilte Sturm für das laufende Jahr die Lizenz ohne Auflagen.

Laut Prüfer Imre hielt der Verein 2003 (Stand: 30. Juni) ein Plus von 80.000 Euro. Zwischen 1999 und 2003 wurden laut Imre von 14,5 Millionen Euro als Erbe der Champions League 13,8 Millionen für Abgaben (Krankenversicherung, Lohnsteuer) aufgewendet. Die Spielergehälter sanken von 8,2 Millionen Euro (2003) über 7,6 (2004) auf 6,3 Millionen. Kartnig: "Wir versuchen jetzt, einen neuen Vorstand zusammenzubringen, dann trete ich endgültig ab." (dw, josko; DER STANDARD Printausgabe 10. November 2005)