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Deutschlands scheidender Finanzminister Hans Eichel erwartet für heuer ein Defizit von vier Prozent.

Foto: Reuters/Lenoir
Brüssel/Berlin - Deutschlands neue Regierung bekommt ein Jahr länger Zeit, um ihr Budget gemäß den Kriterien des EU-Stabilitätspakts in Ordnung zu bringen. "Das bedeutet, dass die Anpassung bis Ende 2007 erfolgen sollte", sagte EU-Währungskommissar Joaquín Almunia nach einem Treffen mit den EU-Finanzministern. Deutschland hat seit 2002 alljährlich das bei drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegende Defizitkriterium überschritten. Heuer wird ein Defizit von rund vier Prozent erwartet.

Kein Pardon für Ungarn

Kein weiteres Pardon der Finanzminister und der Kommission gibt es jedoch für Ungarn. Weil das Defizit heuer auf 6,1 Prozent steigt und Brüsseler Empfehlungen zur Konsolidierung in Budapest ignoriert worden waren, drohte Almunia am Dienstag sogar die Streichung von Mitteln aus dem EU-Strukturfonds an.

Dass Deutschlands neuer Regierung mehr Zeit zur Budgetkonsolidierung eingeräumt wird, dafür hatte sich auch Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eingesetzt, Finanzminister Karl-Heinz Grasser hatte sich dagegen ausgesprochen. Am Dienstag kritisierte Grasser die geplante Mehrwertsteuererhöhung. Deutschland werde sein Budget nur über die Ausgabenseite konsolidieren können.

Verlustabzüge gestrichen

Der scheidende Finanzminister Hans Eichel unternahm dazu am Dienstag einen Schritt: Die Abzugsfähigkeit von Verlusten von Steuersparmodellen wie Windkraft- und Medienfonds werden bereits ab 10. November gestoppt. Mehreinnahmen durch Wirtschaftswachstum sind auch nicht in Sicht: Die deutsche Wirtschaft soll nächstes Jahr nur um ein Prozent steigen, meinen die Wirtschaftsweisen, die ihre Prognosen heute, Mittwoch, vorstellen.

Die neue Regierung in Deutschland will auch mehr Zeit für eine Prüfung der Neuordnung der Chemiepolitik auf EU-Ebene. Deutschland hat eine Verschiebung der für Ende November im Wettbewerbsrat anstehenden Entscheidung beantragt. Damit dürfte dieses Thema auf Österreichs Vorsitz zukommen. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.11.2005)