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Foto: APA/epa/Olivier Matthys
Jetzt, wo die Volkspartei sich anschickt, bei ihrem Zug durch die Wüste Gobi vom orangen auf das blaue Kamel zu wechseln, wird die Stimmung in der Karawane zunehmend gereizter. So sehr sich Schüssel noch bemüht, die bisherige Treue des ausgemergelten Gefährten durch artgerechte Pflege bis zur wohl unvermeidlichen Notschlachtung zu vergelten, so wenig vermag er gegen die zunehmende Bissigkeit, mit der sich ihm die andere Seite in vorgegaukelter Vitalität empfiehlt. Im Zentralorgan der FPÖ, der Neuen Freien Zeitung" , liest sich das so: Die ÖVP spielt wohl auf Zeit und läßt die Politleiche Haider solange hinter sich hertreiben, bis sie spätestens 2006 von der politischen Bühne verschwindet. Eine Metaphorik, die überzeugt.

Und obwohl er es bisher noch nicht weiter gebracht hat als zum Dorn im Auge und Stachel im Fleisch der Politleiche, charakterisiert der führende Hobby-Pathologe der Freiheitlichen Partei sich selbst in jenem Majestätsplural, der einem ersehnten Mehrheitsbeschaffer für Wolfgang Schüssel vorauseilend ansteht: "Wir sind der Dorn im Auge und der Stachel im Fleisch der Mächtigen." Schon wieder einer, der von der zähmenden Kraft Schüssels nicht überzeugt ist.

Den Zustand eines Menschen, der nicht einmal selber weiß, ob er noch da oder schon wieder weg ist, als Politleiche zu beschreiben, erscheint im Hinblick auf die in der Politik oft verschwommene Grenze zwischen Diesseits und Jenseits nicht untreffend. Einzig mit dieser Beschreibung ließe sich auch der hartnäckigen Behauptung, HC Strache wäre der neue Haider, ein prognostischer Wert abgewinnen. Er braucht nur noch auf das Angebot einer Koalition zu warten, in der die ÖVP ihn solange hinter sich hertreibt, bis auch er von der politischen Bühne verschwindet.

Noch aber ist es nicht so weit, noch gilt es, den orangen Spreu vom blauen Mutterkorn zu trennen - eine Aufgabe, der sich das freiheitliche Intelligenzblatt im Rausch des blauen Wunders unterwand. Heinz-Christian Strache ist kein Haider-Klon, beteuerte Andreas Mölzer in "Zur Zeit", und er muss es wissen, machte er doch beiden den Chefideologen. Er ist kein selbstverliebter Narziss, sondern ein guter Kamerad. Und jene Persönlichkeiten, die nunmehr die Parteiführung rund um Strache bilden, sind kein Haufen karrieregeiler, opportunistischer Pfründner, die möglichst intensiv und häufig am Ohr des großen Vorsitzenden hängen wollen. Eine Beschreibung der orangen Regierungsmitglieder, die bis zur Nationalratswahl von Tag zu Tag besser zutrifft.

Wie haben es nur die guten Kameraden und die karrieregeilen, opportunistischen Pfründner neben einander und neben einer Politleiche solange in einer Partei ausgehalten? Doch die Zeit der Leichenweglegung ist angebrochen! Allein, es ist so wie es die wackere Barbara Rosenkranz gesagt hat: Jörg Haider ist nunmehr nicht mehr unser Problem, sondern das des Wolfgang Schüssel. Was kümmert uns ein abgetakelter Volkstribun, der nur mehr seine Launen und Eitelkeiten pflegt?

Jetzt ist Seriosität gesucht! Die FPÖ braucht heute keinen neuen Volkstribun, der da als Turbo-Populist den Menschen alles und jedes verspricht, ohne es je erfüllen zu können. Die FPÖ braucht auch keine Stimmen-Maximierung auf 30 Prozent - merk 's Wähler - und sie braucht keine Quereinsteiger mit fragwürdigem Charakter und fragwürdigem persönlichen Hintergrund. Jetzt auf einmal?

Und Seriosität ist gefunden! Mussten sich die Renegaten und Glücksritter, die sich unter dem orangen Fähnchen sammelten, ins Privatleben zurückziehen, so steigt der wahre Freiheitliche wie ein Phönix aus der Pfründnerlatrine: Dieser harte Kern ist gegenwärtig wirklich absolut frei von Glücksrittern, Opportunisten und bloßen Protestwählern. Hier handelt es sich um die Hardcore-Wähler des nationalen und freisinnigen Lagers, österreichpatriotisch, aber wie dennoch wie gewohnt deutschbewusst und mit unbändigem Freiheitsdrang gegen die Dogmen der political correctness. Da kann der Hardcore-Blaue seinen Drang nicht unterdrücken.

Ebenso wenig wie die "Kronen Zeitung" den ihren, nicht weniger unbändigen, zum Tierschutz. Und wie bei den Freiheitlichen in ihrem Kampf gegen die political correctness kann es schon vorkommen, dass man dabei ein wenig über die Schnur haut, wenn es um das Tierschutzhaus geht. Da ist kein Tier zu klein, um nicht die eifersüchtige Wachsamkeit der "Krone" auf sich zu ziehen. Sonntag musste sie deshalb eine Erklärung veröffentlichen. Wir haben in der "Kronen Zeitung" vom 27. 3. 2005 über angeblich unhaltbare Zustände im Wiener Tierschutzhaus berichtet; Kaninchen würden furchtbare Qualen leiden.

Und das auch noch um Ostern! Jetzt musste die "Krone" korrigieren. Wir haben uns nunmehr im Rahmen eines Gerichtsverfahrens davon überzeugt, dass Kaninchen im Wiener Tierschutzhaus keineswegs furchtbare Qualen erleiden, sondern tiergerecht gehalten werden. Der genannte Vorwurf wird daher nicht aufrechterhalten. Wie wäre ein zweiter Versuch mit Gänsen - jetzt um Martini? (DER STANDARD; Printausgabe, 8.11.2005)