Foto: Wien Modern
Wien - Mitten drin, statt nur dabei. Auch so darf man vielleicht einmal jene Sehnsuchtsaspekte, die um die Musik kreisen, formulieren - denn zunächst herrscht ja immer Distanz. Zwischen Komponist und Gesellschaft. Zwischen Bühne und Zuschauerraum. Und auch zwischen einem Festival wie Wien Modern und jenen, die es ansprechen will.

Der Generalpass, der den Besuch der Veranstaltungen um einen freundlichen Preis ermöglicht, war schon von Beginn an eine distanzverringernde Maßnahme. Mittlerweile sucht das Festival allerdings auch räumlich die Nähe zum Hörer. So darf man schon nach den ersten Festivaltagen das Gefühl bekommen, Wien Modern betreibe eine Stadtbegehung, suche Nähe, indem es sein Zentrum, das Konzerthaus, verlässt.

Auch im MAK macht es Station. Interessant allerdings, dass Beat Furrers zusammen mit dem Künstler Hanns Kunitzberger konzipiertes Abbild auf eine Distanzierung vom Betrachter setzt. Zunächst durchschreitet man zwar einen Korridor aus 16 riesigen Ölbildern. Zur Aufführung von Furrers 3. Streichquartett wird man jedoch aus dem Korridor verbannt, sitzt hinter den Bildern, die nun die Musiker fast verstecken.

Emotional ist man aber dann doch mittendrin, wenn Furrers Musik ihre filigrane Aura entfaltet. Sie entwickelt sich über perkussiven Einsatz der Instrumente, über kollektive Zuckungen, kleine Bewegungen, die zu fast tänzerischen Momenten der Wiederholung führen und das Quartett zur Klangpuppe werden lassen, die Bewegungsrituale wiederholt. Die Spannung hält jedoch nicht die ganze Werklänge.

Ein Echo

Anders bei Helmut Lachenmann, dessen Ausklang der Eröffnung von Wien Modern im Konzerthaus aufgeladene 45 Minuten bescherte. Das Orchester (RSO Wien unter Dirigent Peter Rundel) verhält sich hier zum Klavier (grandios Marino Formenti) gleichsam wie ein Echo.

Auf Basis eines erweiterten Musikbegriffs inszeniert Lachenmann einen Wechsel zwischen kurzen Klanganstößen und Geräuschpointen. Lineare Klavierattacken und Momente des sanften Ausklingens von Ideen markieren die Eckpfeiler einer ungemein schillernden Ausdruckswelt, die keine Sekunde ohne innere Gespanntheit bleibt. Hier wird der Rezipient vom Werk in seine Mitte geholt. Und auch dort gehalten.

Das anspruchsvollste Publikum findet das Festival allerdings wohl bei der Reihe Dschungel Wien Modern. Den sehr jungen Hörern ist man zwar beim Musiktheater Hans und Gretchen durch die bekannte Brüder-Grimm-Geschichte entgegengekommen. Gerard Beljon hat allerdings eine Musik komponiert, die Wohlklang mit Abstraktion kombiniert und also fordert.

Wenn sich auf der Bühne auch viel tut, selbst Instrumentalisten als Koerzähler mitwirken, so darf doch der Moment, als sich die Hexe schließlich unter perkussivem Donner in Rauch auflöst, als Höhepunkt bezeichnet werden. Starker Applaus. (DER STANDARD, Printausgabe vom 7.11.2005)