Frankfurt/Main - Der scheidende Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten (SPD), Franz Müntefering, hat seine Partei zu mehr Geschlossenheit und Disziplin aufgerufen. Auch der designierte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil forderte mehr Einigkeit. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, der neben dem designierten neuen Parteichef Matthias Platzeck, das neue Amt des Stellvertretenden Vorsitzenden einnehmen soll, kündigte eine Neuorganisation der Partei sowie einen neuen politischen Stil an.

Müntefering sagte auf dem niedersächsischen Landesparteitag in Walsrode: "Diese Partei ist keine Holding, in der die Flügel bestimmen dürfen." Er fügte hinzu: "Die Leichtigkeit und Undiszipliniertheit, mit der in den Medien übereinander gesprochen wird, macht uns kaputt." Änderungsanträge zum Ergebnis der Koalitionsverhandlungen seien auf dem kommenden SPD-Bundesparteitag nicht möglich. Parteiflügel seien zwar wichtig, "Aber vergesst nie: Der Kopf ist in der Mitte". Die über 200 Delegierten unterbrachen Münteferings Ausführungen zu den SPD-internen Turbulenzen immer wieder mit lautstarken Beifall.

Müntefering sagt Heil Unterstützung zu

Müntefering bestritt eigene Vorbehalte gegen den designierten SPD-Generalsekretär Hubertus Heil und sagte ihm seine Unterstützung zu. Heil werde dann "keine Zeit haben zu Schaltkonferenz und Netzeknüpfen. Er muss als Generalsekretär richtig arbeiten... Er kann das."

Nach den Worten von Beck sollen künftig die stellvertretenden Parteivorsitzenden aufgewertet werden und sich bestimmten Themen und Aufgaben zuwenden. Die Partei sei möglicherweise "an der Schwelle, eine neue Art der politischen Führung zu organisieren", sagte er dem Deutschlandradio Kultur.

Zu einem angestrebten neuen politischen Stil sagte Beck der "B.Z." (Sonntagausgabe): "Der neue Vorsitzende Matthias Platzeck, und ich werden versuchen, die negativen Erfahrungen aufzuarbeiten - wir wollen versuchen, in die Partei hinein und darüber hinaus den Stil zu ändern." Ziel sei "stärker aus den Gruppenbindungen herauszutreten".

Klausur am Sonntag

Müntefering wird nach Einschätzung Becks für seine zentrale Aufgabe als Vizekanzler und Minister für Arbeit eine klare und eindeutige Zustimmung vom Parteitag erhalten. Schon die Klausur am Sonntag werde dies bestätigen. Sowohl SPD als auch Union wollen auf getrennten Klausurtagungen die bisherigen Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen bestätigen und die Verhandlungslinie für die heiße Phase festlegen.

Vorwürfe aus der Partei gegen Andrea Nahles, sie sei eine "Königsmörderin", wies Beck zurück und forderte, dass man ihr eine neue Chance geben müsse. Auch der neue SPD-Landesvorsitzende von Niedersachsen, Garrelt Duin, warnte vor einseitigen Schuldzuweisungen, der Juso-Vorsitzende Björn Böhning vor "Dolchstoßlegenden". Der nordrhein-westfälische SPD-Chef Jochen Dieckmann kritisierte Münteferings Führungsstil im Zusammenhang mit der Generalsekretärsfrage.

Der Berliner Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erwartet für sich eine stärkere Bedeutung in der Bundespolitik. Dagegen will sich der scheidende Bundesfinanzminister Hans Eichel nicht mehr für den SPD-Vorstand kandidieren. Die scheidende Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) beklagte sich darüber, wie Müntefering sie und andere Minister darüber informiert habe, dass sie ihre Posten in einer großen Koalition nicht behalten würden. (APA/AP)