Während die Kamera ihn dabei aus allen möglichen Perspektiven verfolgt, überlagern sich die Ebenen dieses Films, der als Spiegel mit drei Flügeln – wie der Titel sagt – angelegt ist. Die drei zurückgelassenen Frauen erinnern sich an diesen Mann, den sie nie so richtig zu fassen bekamen. Die Arbeit der Erinnerung scheint seine Todesfahrt nur zu beschleunigen. Während die Geliebten ihn festhalten möchten, beginnt der Mann, sich schon in die reine Bewegung aufzulösen. Epstein macht dies mit vielen Überblendungen deutlich.
La glace à trois faces dauert 38 Minuten, enthält aber in der größten Verdichtung das, was das Österreichische Filmmuseum im November in seinem Schwerpunkt Bonjour Cinéma. Jean Epstein und das französische Kino der zwanziger Jahre zu einer faszinierenden Überblicksschau versammelt. Der Warschauer Emigrant Epstein, der in den Zwanzigerjahren in Paris zu einem wichtigen Vertreter der filmischen Avantgarde wurde, steht gemeinhin nicht im Zentrum der Beschäftigung mit dieser Epoche.
Zu groß scheint die Konkurrenz durch die Künstler (Man Ray, Fernand Léger) und Filmemacher (Luis Bunuel, Abel Gance, Jean Renoir), deren Zeitgenosse er war. Die Schau, in der dieses Umfeld einbezogen wird, findet in Epstein das Bindeglied zwischen den beiden Feldern.
Dreiecksgeschichten
Er liebte die formalen Experimente, aber er drehte vollständige Spielfilme, deren Schlüsselszene sich häufig auf einem Volksfest zuträgt. Berühmt wurde die Karussellfahrt in Coeur fidèle (1923), einer Geschichte aus Marseille, in der ein Hafenarbeiter und ein Gauner dieselbe Frau lieben. In La glace à trois faces ist die Konstellation umgekehrt. Hier steht der Mann im Mittelpunkt.
Es gibt eine bezeichnende Szene, eine Überfahrt über einen See, die in einem Rummel am anderen Ufer endet. Während das Liebespaar sich unter die Leute mischt, zeigt Epstein in Großaufnahme, wie der Mann jeden einzelnen Knopf an seiner Jacke zumacht. Er verschließt sich so gründlich, dass er auch spätere Gelegenheiten, aus sich herauszugehen, nicht mehr wahrnehmen kann. Er verwandelt sich in eine beschleunigte, kommunikationslose Monade.
Hier deutet sich schon an, was in Epsteins Hauptwerk La chute de la maison Usher, nach Motiven von Edgar Allan Poe, dann überdeutlich wird: Geschwindigkeit ist nur die andere Seite des Stillstands. Die Ushers sind selbst eines dieser "mechanisierten Ensembles", an denen sich die Moderne faszinierte.
Gilles Deleuze schrieb, dass Epstein "ein Bewegungsmaximum in einer unendlich gedehnten Bewegung erreicht". "Das Ganze ist das Simultane, Maßlose, Ungeheuerliche geworden" – darauf reagieren auch die Filme von Jean Epstein. Die Architektur des Hauses Usher bildet dabei die Einfriedung für so viele "mysteriöse Häuser", von denen sich die populäre Fantasie der Zwanzigerjahre nährte.
Mysterien, Intrigen
Im Rahmen von Bonjour Cinéma läuft deswegen auch La maison du mystère, ein intrigenreiches Serial aus dem Jahr 1923 von Alexandre Volkoff. Einer der Hauptdarsteller war Ivan Mosjoukine, der größte Star dieser Zeit, der mit Le Brasier ardent (1923) selbst einen bedeutenden Detektivfilm gedreht hat.
Die Verzweigungen innerhalb von Bonjour Cinéma reichen bis zu dem in den letzten Jahren wiederentdeckten Jean Gremillon, der in Maldone (1928) das Drama eines Einzelgängers entfaltet. Jean Epstein ging nach 1929 in eine ähnliche Richtung.
Er fand in der Bretagne seine Landschaft, deren filmischer Chronist er wurde. In Finis Terrae (1929), dem ersten dieser Naturfilme, ist die Sehnsucht nach den Grenzen der Zivilisation schon im Titel zum Ausdruck gebracht. Der Gedanke scheint reizvoll, diese poetischen Dokumentarfilme, auf die Epsteins Begriff der "Lyrosophie" gut passt, als Fortsetzung der rasenden Autofahrt aus La glace à trois faces zu betrachten.