Ruf des Ackers: BMW HP2

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Kollege R., sonst bei den drei Buchstaben aus Bayern kaum zu halten, verzichtete. Wir sind beide keine Riesen. Aber seit ihm schon die GS beim Parken auskam, will er von fahrbaren Hochständen nichts mehr wissen.

Genau das ist aber die HP 2. 920 Millimeter über dem Boden sitzen, da hat Rudi recht, ist für Menschen mit 1,72 nur fein, so lange sie fahren. Spitzentanz einbeinig an der Ampel.

Mit Sonderzubehör gibt es die HP 2 auch vielleicht spielentscheidende 20 Millimeter niedriger. Fürs Stehen ist das Ding ohnehin nicht gedacht, für die Stadt sowieso nicht.

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BMW räumte seiner ohnehin schon ungewohnt bissigen Reiseenduro R 1200 GS auf dem Weg zur nun aber wirklich geländetauglichen HP2 alles herunter, was man zwingend nicht zur Fortbewegung braucht.

Um genau zu sein: Eigentlich blieben ihr nur der – einen Hauch leistungsstärkere – Motor mit nun 105 PS und das Bordnetz. Ausgleichswelle? Wozu? Telever? Upside-Down-Gabel! Und Chassis aus Gitterrohr. Federbein hinten? Erstmals laut BMW im Motorradbau gedämpft mit Luft. Spart zwei Kilo. Pumpe an Bord.

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Fürs Fachblatt "Motorrad" sprang Christian Pfeiffer zuletzt allerdings ein bisschen zu oft und hart mit der HP2, bis die Kolbenstange des luftigen Dämpfers nachgab. Da sieht die HP 2 hinten plötzlich nicht mehr nach High Performance aus, wofür HP hier steht, sondern arg tiefer gelegt. Eine Chance für Zwerge wie Rudi und mich? Besser die Sondersitzbank. BMW verspricht künftig stabileres Material für die Kolbenstange.

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Pfeiffer zeigte heuer auch beim grundwahnsinnigen Erzbergrodeo, was die HP2 kann. Knapper Platz zwei hinter einer KTM 950 Adventure. Man muss allerdings auch sagen: Stuntprofi Pfeiffer führte auch schon mit einem Ducatimonster auf Asphalt Dinge vor, von deren Nachahmung ich nur nachhaltig abraten kann.

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Auf diese Erkenntnis konzentrierte ich mich denn auch bei meiner Ausfahrt mit der HP 2. Mein Murmelmantra: "Derpfeifferkanndasduabernicht ... Derkanndasduabernicht, Der..." Hilft ungemein gegen Torheiten. Wie die Empfehlungen des Stammhirns, sobald ich mich auf das Stollengerät setze: "Ab in den Acker!" ruft es beharrlich. Ok, einen kleinen Gatschweg im Tullnerfeld kann man sich schon genehmigen.

Aber vorsichtig. Nur weil das Gerät glaubhaft nach Offroad aussieht und derlei Terrain bestimmt – trotz noch immer ordentlichen Gewichts – auch großartig bewältigt, bedeutet das noch lange nicht, dass die HP 2 das auch mit geländetechnisch absolut Unkundigen wie mir zuwege bringt. Im Zweifel: besser nein.

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Hilft Mantra eins nicht, dann bestimmt Variante 2. Die lautet: "...neunzehntausendfünfhundert(!) neunzehntausendfünfhundert(!) neunzehn..." Geräte mit diesem Listenpreis schmeißt man nicht leichtfertig und/oder unkundig weg. Auch wenn etwa der schmale Sattel hinreißend zum Herumturnen einlädt (Achtung Schienbeine: Boxerzylinder nicht vergessen!).

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Ungestüm reißen die – gegenüber der GS unveränderten – 115 Newtonmeter und 105 PS an den fahrfertigen 196,5 Kilogramm (GS: 225 Kilo). Sie verlangen wie allen neuen BMWs 98 Oktan. Schmiert aber auch schön fett aus der asphaltierten Kurve. Ebenso beruhigend deftig packen die Einscheibenbremsen vorne zu. Aber hallo.

Fazit gefällig? Viel Geld für viel Spaß. Für den Acker gibt es freilich auch leichteres Gerät. Ich mach erst den Offroadkurs für Anfänger. (Harald Fidler, derStandard.at, 3.11.2005)