Verantwortlich für die Lebendigkeit von Wien Modern - Thomas Schäfer (li.) und Berno Polzer (re.).

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Wien - Gleich werden sie also wieder zusammenströmen, die Mitglieder der viel zitierten Wien-Modern-Familie, die in den letzten Jahren wieder erstarkt ist und um die die österreichische Kapitale Veranstalter aus ganz Europa beneiden. Zumindest berichtet dies das Dramaturgen-Duo der nunmehr 17 Jahre alten Festival-Institution, Berno Polzer und Thomas Schäfer, das seit dem Jahr 2000 dem Event neue Konturen verleiht.

"Gegenüber manchen Veranstaltern im Ausland sind wir in einer glücklichen Situation", so Polzer. "Die Community wächst langsam, aber stetig, und sie ist unglaublich, was Aufmerksamkeit und die Frequenz betrifft - wir sind beileibe nicht die Einzigen, die alle Projekte sehen, da gibt's einige, die kommen einen Monat lang nonstop."

Was diese Hörer 2005 hören werden? "Wir sind kein Uraufführungsfestival wie Donaueschingen", schickt Thomas Schäfer voraus. "Dort kann man sicher sein, 90 Prozent des Programms nie mehr zu hören. Natürlich sind wir auch an Premieren interessiert, aber wir gestalten das Festival aus dem Repertoire heraus, was bei Komponistenporträts unumgänglich ist. Es stört uns nicht, wenn etwas schon zu hören war - gerade bei Neuer Musik ist wiederholte Beschäftigung wichtig."

Auch wenn die beiden meinen, in ihrer Arbeit die Geschichte des Festivals im Grunde nicht mitzudenken, so wird angesichts des heurigen Programms doch evident, dass die Gründerjahre, die Zeit des Aufholens, der späten Erstkonfrontation Wiens mit den zentralen Komponistenpositionen des 20. Jahrhunderts, vorbei sind und heute vertiefende Zugänge gesucht werden.

Mit anderen Worten: Im Hinblick auf die präsentierte Musik gewinnt das Wie gegenüber dem Was an Bedeutung. Die Musik Helmut Lachenmanns, des noch immer aktuellen Modernisten, des Meisters sinnlicher Geräuschstrukturen, auf seinen Performance-Gehalt seitens der Ausführenden hin zu untersuchen (Choreograf Xavier Le Roy wagt eine Entkoppelung von Klang und der ihn generierenden Bewegung), das hat man zuvor noch nicht erlebt.

Giacinto Scelsi, der 1988 gestorbene italienische Klangmystiker, sieht sich unter dem Blickwinkel seiner unkonventionellen Arbeits(teilungs-)methode beleuchtet, über die mit der 83-jährigen Michiko Hirayama, Frances-Marie Uitti, Joëlle Leandre u. a. einige seiner engsten Mitarbeiterinnen aus erster Hand berichten werden.

"Scelsi ist auch der Angelpunkt im Hinblick auf den Themenschwerpunkt zu ,Collective Identities'. Hier geht es um Fragen kollektiver Autorenschaft, zum Werkbegriff, zu Identität an sich. Über diese Verbindung sind wir sehr glücklich", so Thomas Schäfer, der auf die gemeinsam mit dem Institut 5Haus veranstalteten Konzerte (7.-9. 11., u. a. mit Marina Rosenfeld, Tarwater, Bernhard Fleischmann) verweist, in deren Rahmen der Begriff der Kollektivität primär im Kontext der Improvisation verhandelt wird.

Die Klammer zum Porträt Beat Furrers bilden Aufführungen der Raumkompositionen Abbild und Fama. Vor allem letztere Arbeit, soeben in Donaueschingen uraufgeführt, wird mit Spannung erwartet: "Es gibt einen eigens entworfenen Raum im Raum, der mittels Klappen zu öffnen und zu schließen ist und so selbst zum Instrument wird", kündigt Berno Polzer an.

Ob er und Thomas Schäfer wie so manche Veranstalter träumen, mit Wien Modern jemals aus dem (wenn auch stolzen) Minderheitensegment auszubrechen? "Zeitgenössische Musik erfordert ein Maß an Konzentration, das das Publikum immer in gewissen Grenzen halten wird. Ich glaube nicht, dass gute Neue Musik massentauglich ist, deshalb ist auch meine Sehnsucht danach nicht sehr ausgeprägt", so Polzer. "Meine Arbeitshypothese, mit der ich auch neues Publikum ansprechen möchte, ist jene, so zu tun, als ob all die Gräben zwischen den Institutionen inexistent sind. Für mich machen Spartentrennungen keinen Sinn - und sie entsprechen auch nicht der tatsächlichen Vernetztheit des Denkens, dem Fluss von Ideen in der künstlerischen Landschaft." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.11.2005)