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Matthias Platzeck will zugleich Regierungschef in Brandenburg bleiben.

Foto: APA/dpa/Bachmann
Aufatmen, Blick nach vorne. So lautete die Tageslosung der SPD am Mittwoch. Zwei Tage nachdem ihr Chef, Franz Müntefering, seinen Rückzug angekündigt hatte, war sein Nachfolger schon gefunden: Die beiden SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und Matthias Platzeck (Brandenburg) vereinbarten am Abend zuvor, dass Platzeck den Job übernehmen soll.

Wenn er am SPD-Parteitag (14. bis 17. November, Karlsruhe) gewählt werde, dann werde er "diesem Wunsch mit Leidenschaft und Hingabe nachgehen", sagt Platzeck. Dann hätten die beiden Volksparteien in Deutschland beide eine Führungsfigur aus dem Osten an der Spitze. CDU- Chefin Angela Merkel stammt ja wie Platzeck aus Ostdeutschland.

Ein Gegenkandidat zu Platzeck ist nirgends in Sicht. Im Gegenteil: Alle Flügel der SPD sind erleichtert, dass er die schwierige Aufgabe zusätzlich zu seinem Amt als brandenburgischer Ministerpräsident übernimmt. Platzeck sei ein "Signal für Verjüngung", lobt Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse. SPD- Vizechefin Ute Vogt ist erfreut, weil Platzeck einen "erfrischend anderen Politikstil pflegt".

Der Parteitag soll aber auch noch andere personelle Neuerungen bringen. Die Parteilinke Andrea Nahles wird doch nicht Generalsekretärin. Das Votum für Nahles im Parteivorstand hatte ja den Rücktritt Münteferings ausgelöst, weil er seinen Vertrauten Kajo Wasserhövel durchsetzten wollte. Gegen Nahles gibt es weiterhin große Vorbehalte.

Nahles wird Parteivize

So meint der Sprecher des konservativen "Seeheimer Kreises", Johannes Kahrs, es dürfe keine Belohnung für die "Königsmörderin" geben. Dennoch ist für Nahles ein Karrieresprung vorgesehen: Sie soll eine von Platzecks Stellvertretern als Parteichef werden. In Berlin hieß es am Mittwoch, Platzeck wolle den designierten Umweltminister Sigmar Gabriel zu seiner rechten Hand machen. Gabriel gilt als großes politisches Talent, er ist derzeit SPD-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag und war in Niedersachsen von 1999 bis 2003 Ministerpräsident. Diskutiert wurde aber auch, das Amt des Generalsekretärs überhaupt abzuschaffen.

Doch nicht nur in der SPD, sondern auch in der Union kommt Platzecks Nominierung gut an. "Ich gehe davon aus, dass Matthias Platzeck mit seiner Erfahrung als Ministerpräsident von Branden burg dazu beiträgt, dass auch die SPD in dieser Koalition ein stabiler Partner ist", sagt Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU). "Es wird eine große Koalition gebildet ? allen Unkenrufen zum Trotz", ist CDU-Generalsekretär Volker Kauder überzeugt. Nächste Woche soll es planmäßig zum Abschluss der Verhandlungen kommen.

Union und SPD haben sich offenbar auch über die umstrittene Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent geeinigt, da das Loch im Budget noch größer als zunächst berechnet ist. Es sollen nicht 35, sondern 43 Milliarden Euro fehlen. 2008 soll es eine Reform der Unternehmensbesteuerung geben. Das Kapitel "Wirtschaft" wird übrigens CSU-Chef Edmund Stoiber zu Ende verhandeln, bevor CSU-Landesgruppenchef Michael Glos statt ihm Wirtschaftsminister wird. (DER STANDARD, Print, 3.11.2005)