Dieser Afar hat seine Frau bei der Geburt eines ihrer gemeinsamen Kinder verloren. Nach diesem für ihn und seine Familie traumatischen Ereignis fasste er den Entschluss, seine Töchter nicht beschneiden zu lassen.
Foto: Care/Stummer
Das Gebiet, das Projektträger Care Österreich gemeinsam mit Projektpartner Afar Development Association betreut, befindet sich im Nordosten Äthiopiens. Die Afar leben nomadisch.
Grafik: Care
Fatuma ist beschnitten, Miriam nicht. Die junge Nomadin aus der Volksgruppe der Afar ist eine der ersten, denen das grausame Ritual der Beschneidung erspart blieb. Ihr Vater hatte sich nach dem Besuch eines Vortrags zum Thema dazu entschlossen. Dort sagte man ihm, dass die Beschneidung für die hohe Sterblichkeit von Frauen und Kindern verantwortlich sei. "Aber unbeschnitten wird kein Mann sie nehmen, ..." wandte Miriams Mutter ein "... und außerdem: Allah will es so".

Doch eben das zieht der Vater in Zweifel: "Der Sheik (Gelehrte) hat mir versichert, dass der Koran die Beschneidung nicht verlangt. Mit keinem Wort." Und für einen Mann hat Miriams Vater schon gesorgt, sie soll den Sohn des Sheik heiraten. 10 Kühe bekommt die Familie dafür.

Langsamer Wandel

Miriam und Fatuma sind Charaktere eines Aufklärungsfilmes, der mit OEZA-Unterstützung in Äthiopien gedreht wurde. Sie könnten aber genauso gut realen Personen entsprechen. Die Laienschauspielerinnen wuchsen in jener Kultur auf, in der die Beschneidung für Frauen zum Alltag gehört. Ohne das grausame Ritual der Genitalverstümmelung sind sie unrein, ist ihre Jungfernschaft nicht garantiert. Kein Mann würde je daran denken, sie zur Frau zu nehmen. Bis vor kurzem war das auch bei der Volksgruppe der Afar noch so. In den letzen Jahren nimmt die Zahl der Beschneidungen der Afar-Mädchen ab, parallel zur Sterblichkeitsrate.

Aufklärung wirkt

"Genau das war auch der Grund, warum sich die Afar langsam, aber doch von der jahrhundertealten Tradition abbringen ließen," erklärt Christina Stummer, Projektreferentin von Care Österreich. Einmal im Jahr besucht sie das Nomadenvolk der Afar und ihre KollegInnen von Care Äthiopien und überzeugt sich von den Fortschritten des Projektes. Dabei hat sie viele persönliche Schicksale kennen gelernt. Zum Beispiel das eines Mannes, dessen Frau bei der Geburt eines Kindes nicht überlebte. "Nach diesem Schlag beschloss er, seine Tochter nicht beschneiden zu lassen."

Tabubruch

"Die Männer geben hier den Ton an, natürlich müssen erst sie überzeugt werden, bevor sich etwas ändern kann," so Stummer. Die Illusion, dass es leicht war, die lebensgefährdende Beschneidung zu thematisieren, lässt Stummer aber nicht aufkommen. "Natürlich stellt das Infragestellen einer jahrhundertealten Tradition einen Tabubruch dar, ergeben sich zahlreiche Widerstände". Widerstände, die auch die Tochter des Witwers zu spüren bekam. "Sie war unter den ersten unbeschnittenen Mädchen ihre Klasse und hatte viel Spott zu erdulden", so Stummer.

Gesundheitsrisiko sinkt

Die Erkenntnis, dass unbeschnittene Frauen nicht an den gewohnten Schwierigkeiten während und nach den Geburten leiden und viel weniger Kinder und Mütter sterben, konnte letztendlich immer mehr Familien von der Beschneidung ihrer Töchter abhalten. "Außerdem hatten die Männer keine Ahnung, was sie ihren Töchtern mit dem Gang zur Beschneiderin antaten", erzählt Stummer. Mit drastischen Maßnahmen wurde aufgeklärt: "Bei der Vorführung eines Filmes, bei dem die Beschneidung in allen Details gefilmt wurde, brachen nicht wenige Männer zusammen."

Gesetz gegen Beschneidung

Einer der größten Erfolge in der Aufklärungsarbeit von Care Äthiopien und Projektpartner Afar Pastoral Development Association stellt sicher die öffentliche Weisung der religiösen Würdenträger der Afar gegen die Beschneidung dar. Gleichzeitig wurde ein Zusammenhang des Rituals mit dem Koran kategorisch ausgeschlossen. Obwohl seit Juni 2004 die Beschneidung auch per nationalem Gesetz verboten ist, hat erst diese regional verankerte Weisung Gewicht. "Hier steht das traditional law über dem nationalen Gesetz."

Zahlreiche Initativen

Ein regionaler Erfolg, der nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass nach Schätzungen - nicht nur in Afrika - jährlich noch rund zwei Millionen Mädchen beschnitten werden. Trotzdem lässt sich auch weltweit ein langsames Umdenken erkennen, bestätigt Gabriele Bolen von der Österreichischen Plattform gegen weibliche Genitalverstümmelung: "Die Bewegung gegen Genitalverstümmelung hat in den letzten 20 Jahren eingesetzt und ist mittlerweile in Afrika sehr stark." Was nach Bolens Ansicht die westlichen Gesellschaften nicht aus der Pflicht nimmt: "Wir haben schlicht die Verpflichtung, unsere Augen nicht zu verschließen. Die Verteidigung der Menschenrechte ist keine nationale oder kulturspezifische Angelegenheit." (mhe)