New York - Nach dem Rückzug der von Präsident George W. Bush erst vor wenigen Wochen als Höchstrichterin nominierten Harriet Miers schienen die Reaktionen in Washington so, als wäre die Welt auf den Kopf gestellt: Eine Reihe von Demokraten stellten sich auf die Seite der 60-jährigen Rechtsberaterin des Präsidenten. Allen voran Harry Reid, Fraktionsführer im Senat: "Der radikale rechte Flügel der Republikanischen Partei" habe die Nominierung von Miers vereitelt, meinte Reid. Senatorin Dianne Feinstein erklärte, die Attacken gegen Miers seien "sexistisch" gewesen. Bei den Republikanern und der religiösen Rechten hingegen herrschte Euphorie. Ex-Fraktionsführer Trent Lott soll im Korridor des Senats vor lauter Freude ein Wahlkampflied ("Happy days are here again") gesungen haben.

Bush selbst erklärte, er habe Miers' Rücktritt nur "zögernd" angenommen. Allerdings schien ihm nichts anderes übrig geblieben zu sein, da er bereits Mittwochabend vom republikanischen Fraktionsführer im Senat, Bill Frist, gewarnt worden war, dass Miers Chancen, vom Senat bestätigt zu werden, gleich Null seien.

Einige Tage zuvor war Miers der im Vorfeld der Hearings ausgefüllte Fragebogen vom Justizausschuss zurückgesandt worden, da ihre Antworten laut einem Senator "ungenügend, ja beleidigend" gewesen sein sollen. Miers selbst zieht sich nun wieder auf ihren Job als Rechtsberaterin im Weiße Haus zurück. (sdr/DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2005)