Die ab 2006 geplante niederösterreichische Handymastensteuer kommt nicht. Fünf Monate hat Österreich über die umstrittene Abgabe debattiert. Was die einen als ordnungspolitische Maßnahme sahen, damit die Mobilfunker - letztendlich im Sinne des Kunden - zur Zusammenlegung der Sendeanlagen gezwungen werden, betrachteten die anderen als rechtswidrige reine Geldbeschaffungsaktion für das knappe niederösterreichische Landesbudget zu Lasten der Handytelefonierer.

Kompromiss

Jetzt haben sich Niederösterreich auf einen Kompromiss geeinigt: Die Mastensteuer kommt nicht. Dafür legen die Betreiber freiwillig Mastenstandorte zusammen und geben mögliche Einsparungen daraus durch Tarifsenkungen an die Kunden weiter. Die anderen Bundesländer, die ebenfalls bereits über Handymastensteuer nachgedacht haben, überlegen jetzt ähnliche Regelungen. Wie viele Masten in Niederösterreich deshalb abgebaut werden, ist allerdings noch unklar, ebenso wie die tatsächliche Höhe der zu erwartenden Einsparungen.

Chronologie der Debatte der vergangenen 150 Tage

2. Juni - Am Rande des niederösterreichischen Kommunalgipfel erwähnt Niederösterreichs ÖVP-Landesklubobmann Klaus Schneeberger erstmals Pläne zur Einführung eines "NÖ Sendeanlagenabgabengesetzes" (SAAG) "als fiskale Lenkungsmaßnahme gegen den Wildwuchs an Sendeanlagen für Mobiltelefone" - vorerst weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit.

18. Juni - Die Mobilfunkbranche schlägt erstmals Alarm. Mobilkom-Chef Boris Nemsic spricht von einer "existenziellen Gefährdung" und einer Schröpfaktion.

19. Juni - Andere Bundesländer greifen die Idee auf. Auch Salzburg will eine Mastensteuer prüfen, ebenso Oberösterreich. Später springen das Burgenland, Vorarlberg und die Steiermark auf den Zug auf.

20. Juni - Vizekanzler und Infrastrukturminister Hubert Gorbach (B) will im Ministerrat einen Einspruch gegen die Steuer erreichen. Auch Finanzminister Karl-Heinz Grasser ist gegen die Abgabe, er fürchtet Milliardenschäden für den Standort. Der oberste Telekomregulator Georg Serentschy meldet "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken" an. Er sieht nicht nur den Wettbewerb, sondern auch die Ziele des Bundes und des Telekomgesetzes für einen nachhaltigen Telekom-Wettbewerb und einen Infrastrukturausbau gefährdet.

21. Juni - Ungeachtet der Bedenken beschließt der Niederösterreichische Landtag die Handymasten-Steuer. Sie soll mit 1. Jänner 2006 in Kraft treten und vorerst vier Jahre gelten. Von Anfang an sehen die Niederösterreicher dabei aber eine Ausstiegsklausel vor. Tritt die erwartete Lenkung, die verstärkte gemeinsame Nutzung von Sendeanlagen, schon vor Einführung der Steuer ein, wird die Abgabe zurückgezogen.

24. Juni - Kanzler Wolfgang Schüssel (V) meldet sich erstmals zu Wort. Er sieht die Verantwortung für die Steuer alleine beim Land Niederösterreich.

22. Juli - Ein Gutachten der Telekom-Regulierungsbehörde RTR soll belegen, dass Steuer Nachteile für Konsumenten, Unternehmen, die Mobilfunkversorgung birgt, den Wettbewerb und die Standortattraktivität Österreichs verschlechtert, EU-rechts- und verfassungswidrig ist und daher von der Regierung untersagt werden muss.

29. Juli - Die zuständige EU-Kommisarin Viviane Reding meldet "ernste Bedenken" gegen die Handymasten-Steuer an.

9. August - Der Ministerrat verzichtet dennoch auf die Ausübung seines Rechtes, ein Veto gegen die niederösterreichische Handymastensteuer einzulegen. Schüssel: "Jeder ist in seinem Bereich zuständig." Das umstrittene Landesgesetz kann damit in Kraft treten.

10. August - Sämtlichen österreichischen Mobilfunk-Netzbetreiber kündigen an, dass sie die Tarife in Niederösterreich um 10 bis 15 Prozent anheben und ihre Netze zurückbauen werden. Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo sieht negative wirtschaftliche Folgen.

27. August - Landeshauptmann Pröll über die Mobilfunker - Die Manager der Handynetzbetreiber hätten es sich "auf fett gepolsterten Sesseln bequem gemacht. Sie versuchen mit beiden Händen Geld zu scheffeln, ohne sich einen Deut um Land und Leute zu scheren."

7. September - EU-Kommissarin Reding droht Österreich mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Im Interesse der Wirtschaft und der Verbraucher werde sie "zur gegebenen Zeit aktiv werden", wenn es zu keiner "politischen Lösung" kommt.

8. September - Der EuGH entscheidet überraschend, dass eine in Belgien eingeführte Mastensteuer nicht gegen EU-Recht verstößt. Allerdings bezieht sich das Urteil nur auf die Dienstleistungsfreiheit, die Entscheidung über eine mögliche Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation verweist der EuGH zurück an das nationale - belgische - Gericht. Die EU-Kommission sieht sich durch die Entscheidung gestärkt.

29. September - Niederösterreich nimmt auf Expertenebene neue Verhandlung mit den Mobilfunkanbieter auf.

30. September - Nach Klagen von Mobilfunkanbietern nimmt auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein Verfahren zur niederösterreichischen Handymastensteuer auf.

5. Oktober - Die Mobilfunkbetreiber kündigen an, die niederösterreichischen Handykunden via Handyrechnung über einen geplanten Niederösterreich-Zuschlag von bis zu 15 Prozent im Zusammenhang mit der Handymasten-Steuer ab 2006 zu informieren.

7. Oktober - Die EU-Kommission bereitet eine Klage gegen Österreich vor.

20. Oktober - Beamte des Landes Niederösterreich und die Experten der Mobilfunker erzielen den lang erwarteten Durchbruch. Die Mobilfunker sind bereit, bestehende Sendeanlagen zusammenzulegen, neue gemeinsam zu bauen und Effizienzgewinne daraus an die Kunden weiter zu geben. Die niederösterreichische Landesregierung will aber noch nicht von einer politischen Einigung sprechen.

27./28. Oktober - Seit der Nacht auf Freitag ist der "Mobilfunkpakt Niederösterreich" perfekt. Die Zahl der einzeln genutzten Masten soll von 804 auf die Hälfte reduziert werden, die Mehrfachnutzung von derzeit 440 auf etwa 850 Masten steigen. Für den UMTS-Ausbau sollen die Mobilfunker statt ursprünglich geplanten 4.000 bis 5.000 zusätzliche Masten in Niederösterreich mit "einigen Hundert" auskommen. Niederösterreich zieht die Handymastensteuer dafür endgültig zurück.

Nachspiel

Am 7. Dezember wird sich der Verfassungsausschuss des niederösterreichischen Landtages mit der Causa befassen. Am 15. Dezember wird das Gesetz dann voraussichtlich einstimmig vom Landtag aufgehoben werden. (APA)