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"Wenn einer sagt: Es ist mir gleich, wann, wo und was ich esse, so verdient er unser tiefstes Mitleid, weil er mit den schönsten Gaben Gottes nichts anzufangen weiß." Mit diesen Worten empfing der berühmte Koch Alfred Walterspiel seine Leser auf der ersten Seite des Koch-Klassikers "Meine Kunst in Küche und Restaurant".

In Abwandlung dessen könnte man auch jene Unwissenden bedauern, die sagen, es sei ihnen egal, wann, wo und womit sie kochten. Denn wenig bereitet Hobbyköchen jeder Talentlage größeres Vergnügen, als mit allerlei probater Gerätschaft in der Küche experimentell zugange zu sein. Und ja, es darf dabei laut zugehen, es darf scheppern, spritzen, dampfen, rauchen, es dürfen gewissermaßen orgiastische Zustände eintreten, bevor man aufatmend und in Ruhe zum solchermaßen vollendeten Mahle niedersinkt. Denn "man kocht weder mit der Stoppuhr noch mit der Briefwaage", wie Frédy Girardet stets betont, und der ging als "Koch des 20. Jahrhunderts" in Pension. Man darf ihm also vertrauen.

Eine Sonderstellung zwischen Herd und Abwasch nimmt dabei ein durchaus umstrittenes Gerät ein - die so genannte Küchenmaschine. Sie hat Gegner wie Befürworter. Unser Standpunkt dazu ist eindeutig: Wir sind Gegner der billigen, leichtbrüstigen, klapprigen Küchenmaschinenvarianten und Befürworter der ganz großen, schweren und vor allem besonders wattstarken Multifunktions-Ungetümer, die sich mit zahllosen Zusatzteilen, Aufsätzen und sonstigen Spezialausstattungen zu regelrechten Küchen-Kleinindustrien aufrüsten lassen.

Mit einem solchen Gerät steigt man quasi zum Chefmaschinisten der eigenen Küche auf und beginnt noch dazu - angeregt durch die erstaunlich vielen Fähigkeiten, die einer solchen Gerätschaft innewohnen -, lukullische Gefilde zu erforschen, die zu betreten man sich zuvor nicht getraut hatte. Die diversen Gemüseschnitzel- und Reibevorrichtungen bedürfen, so praktisch sie sind, keiner näheren Erläuterung. Doch allein die Handhabung der verschiedenen Schneebesen, Kuchenpaddel und Teigkneter ist eine Wissenschaft für sich, die nur empirisch erforscht werden kann. Mit einer guten Küchenmaschine - nur um ein Beispiel zu nennen - erspart man sich etwa die traditionelle Kühlung der einzelnen Zutaten, die zu einem wirklich mürben Teig geraten sollen, weil hier die Geschwindigkeit des Zusammenrührens (Paddel!) einiges wettmachen kann.

Genau das Gegenteil, nämlich minutenlanges Kneten...

... ist erforderlich, wenn man einen besonders lockeren Germ- oder auch Brotteig zustande bringen will. Warum das so ist, kann physikalisch erklärt werden, am besten vom Kochalchemisten Hervé This-Benckhard höchstselbst: "Beim Kneten werden die Proteine voneinander getrennt, abgewickelt und auseinander gezogen. Ähnlich Algen, über die die Wellen streichen, oder (um in der Küche zu bleiben) wie Spaghetti, die man ins Abtropfsieb schüttet, werden die Proteinfäden durch die Knetkräfte gestreckt und nebeneinander gereiht." Und: "Durch kräftiges, langes Kneten entsteht viel Maltose. Viel Maltose begünstigt die Vermehrung der Hefepilze. Viel Hefe bedeutet viel Kohlendioxid. Und durch viel Kohlendioxid bilden sich viele kleine Gasbläschen im Teig: Er wird beim Backen wunderbar aufgehen."

Und genau diese ansonsten enervierend kräftezehrende Prozedur übernimmt eine gute Küchenmaschine mit links. Während sie über geschätzte sechs bis acht Minuten geduldig jede Menge Proteine trennt und die gute Maltose für die braven Hefepilze produziert, ohne dass man selbst einen Handgriff tut, kann man beispielsweise in Ruhe die Gebrauchsanleitung für den unlängst im Zusatzregal entdeckten und natürlich sofort erworbenen Fleischwolf studieren.

Man erfährt, dass der nicht nur für frischestes Faschiertes herhält, sondern auch Gemüse fesch zerkleinert. Wer jetzt auch noch über einen Wurstaufsatz verfügt, um Blunzen, Krainer und Kollegen zu stricken, hat für die nächsten Wochen und Monate freizeitmäßig ausgesorgt. Ein multifunktionales Genie für sich ist der solchen Maschinen stets zugehörige Mixer, der ebenfalls erwähnt werden sollte, weil er Süßes wie Pikantes produziert und auch nach dem eigentlichen Kochvorgang zum Beispiel für Drinks mit Eisschnee herhalten kann.

"Die Kunst zu kochen", behauptete Karl Friedrich von Rumohr in "Geist der Kochkunst" bereits im Jahr 1822, "entwickelt in den Naturstoffen, welche überhaupt zur Ernährung oder Labung der Menschen geeignet sind, durch Feuer, Wasser und Salz ihre nahrsame, erquickende und ergötzliche Eigenschaft. Auf die Kochkunst allein ist daher jener berühmte Ausspruch des Horaz anzuwenden, den man so oft von den höchst nutzlosen und ganz einseitig schönen Künsten der Poesie und Malerei hat verstehen wollen, nämlich dieser: ,Vermische Nützlichkeit mit Anmut'."

Dass Horaz auch empfahl, Äpfel nur beim Lichte des abnehmenden Mondes zu pflücken, weil sie dann am besten seien, kann eine Randinformation darstellen. Seine Erwähnung der Vermischung von Nützlichkeit und Anmut bringt uns im Fall der Küchenmaschine jedoch insofern weiter, als beim Kauf eines solchen Gerätes neben der bereits erwähnten Wattstärke die Schlichtheit der Form ausschlaggebend sein sollte. An den vielen Funktionen erfreuen sich Köche nämlich nur dann, wenn die Maschinen schnell und einfach zu ihrer jeweiligen Tätigkeit umfunktioniert werden können und wenn sie leicht zu reinigen sind.

Fazit: Schlicht und stark muss sie sein, die ideale Küchenmaschine. Wer ohne sie auskommen will, ist selbst schuld. (Der Standard/rondo/09/09/2005)