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Der Standard: Sie gelten als einer der Topgestalter der Designszene. Ein gutes Gefühl? Werner Aisslinger: Ich denke, Menschen wollen halt gern das Gesicht zum Objekt sehen oder zu einem Gebäude, so wie sie den Film dem Schauspieler zuordnen. Wenn irgendeine Design-GmbH XY mit 50 Mitarbeitern das Produkt soundso gemacht hat, dann ist das den Medien doch eher egal. Das hat allerdings nichts mit der ökonomischen Präsenz am Markt zu tun. Außenstehende glauben ja gern, bekannte Gestalter leben in einer Art Design-Schlaraffenland und müssen nur mit dem Finger schnippen, um an ein Projekt zu kommen. Wir sind aber vom Geldscheffeln weit entfernt. Der Standard: Aber es geht Ihnen doch bestimmt nicht schlecht. Aisslinger: Natürlich nicht, aber Sie müssen schon bedenken, dass die Durchdringung der Alltagswelt mit Produkten von Designern wie mir relativ gering ist. Der Standard: Sie bezeichnen sich und Kollegen wie Konstantin Grcic als Autorendesigner? Was soll man sich darunter vorstellen? Aisslinger: Das heißt, ich mach nicht alles und frag: "Wie hätten Sie's denn gern?". Ich habe Haltung, eine bestimmte Art, wie ich Projekte angehe und Konzepte umsetze. Meine Partner sind Firmen, die das schätzen. Kurz gesagt, ich bin nicht die Gemischtwarenhandlung, die alles anbietet, was der Kunde wünscht. Das obliegt eher den agenturhaften Gebilden, die auch Design machen, allerdings weniger Handschrift zeigen und mehr Mainstream produzieren. Autorendesign heißt aber auch, Projekte selbst zu initiieren, Research zu betreiben und Methoden zu entwickeln. Das bedeutet auch, Risiko für seine eigenen Ideen einzugehen. Man ist da so eine Art Erfindertyp und wartet nicht auf den Anruf. Es ist ein sehr freier, aber halt risikoreicher Weg. Der Standard: Ein Weg, den Sie angehenden Designern empfehlen würden? Aisslinger: Die Frage lautet natürlich: "Wie finanziert man das? Wie überlebt man?" Es ist ein steiniger Weg und eine Typ-Frage. Wer das Risiko scheut, sollte sich besser etwas anderes überlegen. Ich hab die ersten Jahre parallel eine Menge Jobs gemacht, um meine Ideen realisieren zu können und um zu überleben. Im Prinzip lebt dieser Job von der Selbstständigkeit. Was will man als 50- oder 60-jähriger angestellter Designer? Das macht vielleicht in den Designabteilungen von Riesenkonzernen wie Siemens oder Nokia Sinn. Der Standard: Ist es in den vergangenen Jahren schwieriger geworden? Aisslinger: Ich bin schon sehr froh, dass ich vor gut 20 Jahren angefangen habe. Es gibt heute immer mehr sehr gute Leute, die keine Verleger mehr auftreiben. Das heißt, diese jungen Marken, die sich mit jungen Designern zusammentun wollen, sind gar nicht präsent. Gut, also in Deutschland gibt's da den Nils Holger Moormann, in Italien gibt's vielleicht noch fünf und in Holland zwei. Der Standard: Klingt ja nicht gerade rosig. Aisslinger: Ja, es werden wohl viele auf der Strecke bleiben, die nicht die Kraft haben, auf lange Sicht unbedingt ihre Ideen realisieren zu wollen. Der Standard: Aber die Nachfrage nach Design ist doch größer denn je. Aisslinger: Schon, es wird auch immer mehr Design geben. Man kann von einem weltweiten Designhype sprechen. Sogar die ganzen Second-Class-Produzenten in China bilden jede Menge Designer aus. Aber die Prozesse werden immer flacher, immer schneller, agenturhafter, marketinggetriebener etc. Nehmen Sie Firmen wie Adidas her. Da kommen dauernd neue Schuhe heraus. Das sind zum Teil tolle Sachen, nur das hat nichts mehr mit individuellen Personen oder kleineren Büros zu tun. Der Standard: Traurig. Aisslinger: Ja, ist es schon. Auch weil die Prozesse trauriger werden. Es wird einfach keine Zeit mehr sein fürs Grübeln, für Modelle, für das Verwerfen von Ideen. Zum Beispiel das Vitra-Projekt: Wir haben uns zuerst einmal ein halbes Jahr lang darüber unterhalten, wie Arbeitswelten in der Zukunft aussehen könnten. Das macht doch in Schanghai keiner. Da fragt man: "Was macht der Markt?" (Der Standard/rondo/21/10/2005)