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Montgomery 'Scotty' Scott arbeitete bereits mit Quantenrechnern

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Bisher ging es bei der Weiterentwicklung von Computern hauptsächlich um zwei Ziele: schneller und kleiner. Mit dem so genannten Quantencomputer, der in Physiklabors bereits auf einfachem Niveau läuft, steht erstmals seit Jahrzehnten "ein völlig neues Paradigma" an, wie Peter Zoller, theoretischer Physiker am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck und einer der weltweit führenden Vordenker für diese Technologie, es ausdrückt. Das neue Konzept geht vom herkömmlichen Ja-Nein-Schema als Grundbaustein von Information ab und macht sich die wundersam anmutenden Eigenschaften der Quantenwelt nutzbar.

Auf Büro- oder sonstigen Tischen

Derzeit wagt kaum ein seriöser Quantenforscher eine Einschätzung, bis wann der Quantencomputer als serienfertiges Gerät auf Büro- oder sonstigen Tischen stehen wird. Die Entwicklungen sind derzeit noch fest in Händen der Grundlagenforscher, und denen ist die spätere kommerzielle Verwertung meist ziemlich egal. Für Zoller bestehen keine Zweifel, dass das neue Rechner-Konzept kommen wird. Die Quantentheorie ist zwar eine große technische Herausforderungen, fundamentale Stolpersteine sind aus Sicht des Theoretikers aber nicht absehbar.

Welche Quanten

Bis heute ist noch nicht einmal geklärt, welche Quanten - ob Lichtteilchen, Elektronen oder auch geladene Atome - sich am besten eignen und in welchen Fallen sie gleichsam gezähmt und damit zum Rechnen nutzbar gemacht werden können. Mehr oder weniger viel versprechende Versuche laufen in verschiedene Richtungen, Zoller hält auch ein Zusammenfließen der verschiedenen Konzepte für möglich.

Qubit

Dass man überhaupt die Entwicklung eines Quantencomputers anstrebt, liegt an grundlegenden Eigenschaften von Quanten. Im Vordergrund steht dabei die so genannte Überlagerung von Zuständen. Im Gegensatz etwa zu magnetischen oder sonstigen Speichern herkömmlicher Computer kann ein einzelnes Teilchen in der Quantenwelt nicht nur zwei Zustände (Ja/Nein bzw. beim Bit 0 und 1), sondern mehr oder weniger beliebig viele annehmen. Ein so genanntes Quanten-Bit oder kurz Qubit genannt, ist nicht nur 0 oder 1, sondern kann unendlich viele Zustände zwischen diesen beiden Werten einnehmen, ein Effekt, den man auch Überlagerung nennt. Man kann quasi sowohl 0 als auch 1 gleichzeitig in einem Qubit speichern.

Das Elektron kann bei Energiezufuhr auf eine höhere Bahn springen

Qubits kann man zum Beispiel mit einzelnen Atomen darstellen. Ein Atom ist aus Elektronen aufgebaut, die sich um den Atomkern bewegen. Nach der Quantenmechanik ist diese Bewegung quantisiert, d.h. nur bestimmte Energien sind zulässig. Nach einem längst überholten, aber immer noch sehr anschaulichen Atommodell sind das die Bahnen. Das Elektron kann bei Energiezufuhr auf eine höhere Bahn springen, irgendwann fällt es unter Energieabgabe wieder auf einen tiefere Bahn zurück.

0 bzw. 1

Wenn wir zwei dieser Energiezustände herausgreifen, dann lässt sich damit ein Qubit darstellen. 0 bzw. 1 entspricht somit dem energetisch niedrigsten bzw. angeregten Zustand. Konkret wird das Atom mit Laserlicht bestrahlt, dann kann ein Elektron von 0 (niedere Bahn) nach 1 (höhere Bahn) angehoben werden und umgekehrt. Dies eröffnet die Möglichkeit, ein Qubit zu manipulieren und somit Rechenoperationen am einzelnen Qubit auszuführen. In ähnlicher Art lassen sich Qubits auch durch den Spin (Eigendrehimpuls) eines Elektrons im Atom oder durch zwei Polarisationsebenen eines einzelnen Photons (Lichtteilchen) realisieren.

Ein Qubit ist allgemein in einem Überlagerungszustand von 0 und 1. Man kann sich den Zustand eines Qubits durch einen Pfeil vom Mittelpunkt zur Oberfläche einer Kugel vorstellen. Wenn der Pfeil zum Südpol zeigt, wird die 0 dargestellt; der Nordpol entspricht der 1. In der Quantenwelt kann der Pfeil kann aber auch alle Zwischenstellen einnehmen, die den Überlagerungszuständen zugeordnet sind.

"Kohärente Manipulation des Qubits"

Die Drehung des Pfeils von einer Ausgangslage in eine neue Position in der Quantenmechanik als eine "kohärente Manipulation des Qubits" bezeichnet, d.h einer Ein-Qubit-Rechenoperation oder einem "Ein-Qubit-Quantengatter". Werden Atome als Qubits verwendet, lässt sich einer derartige Manipulation durch Bestrahlen des Atoms mit einem Laserpuls verwirklichen.

Südpol oder Nordpol

Andererseits kann man aber auch an einem Qubit eine Messung ausführen, d.h. abfragen ob das Elektron im Zustand 0 oder 1 ist. Ein Auslesen des Qubits ergibt im Einzelfall immer die Antwort 0 oder 1 und niemals Zwischenstufen. Die Messung führt zwangsläufig dazu, dass der Pfeil entweder auf den Südpol oder auf den Nordpol springt.

Ohne - vor einer Messung - auf "ja/nein" beschränkt zu sein, könnten Berechnungen schneller und effektiver als mit konventionellen Computern durchgeführt werden. Nicht zuletzt, und das ist ein gewichtiges Argument für die Grundlagenphysiker, könnte durch einen Quantencomputer - und nur dadurch - die Quantenwelt selbst simuliert werden. Ansonsten wäre der Quantencomputer laut dem wissenschaftlichen Leiter des IQOQI, Rainer Blatt, etwa für schnelle Datenbanksuche oder Präzisionsmessungen prädestiniert.

"Sachen machen können, die kein klassischer Computer schafft"

Schon mit wenigen Qubits wird man laut Zoller "Sachen machen können, die kein klassischer Computer schafft". Der Wissenschafter schätzt, dass Quantenrechner mit "einigen zehn Qubits" bereits in den kommenden paar Jahren ihren Dienst aufnehmen und für spezielle Anwendungen, etwa Simulationen der Quantenwelt eingesetzt werden. Entsprechende Forschungsfinanzierung vorausgesetzt könnte es in rund zehn Jahren soweit sein. Quantencomputing im großen Stil ist nach Ansicht des Experten aber noch "in einiger Ferne".

"wenn/dann" oder "wenn/dann nicht"

Was in einem herkömmlichen Rechner Transistoren erledigen, müssen im Quantencomputer die Teilchen übernehmen: so genannte Gatter-Operationen wie "wenn/dann" oder "wenn/dann nicht". In quantenlogischen Gatter werden die Teilchen dafür beispielsweise mit Laserstrahlen manipuliert, z.B. ein Spin gedreht. Eine Herausforderung dabei ist, dass die Teilchen dabei nur manipuliert, aber nicht beobachtet werden dürfen, sonst verlieren sie ja schlagartig ihr Potenzial, viele Zustände einzunehmen. Erst das Endprodukt der Berechnung darf dann wieder gemessen werden.

Einfache Quantenrechner

In den Labors laufen die Quantenrechner bereits, wenngleich auf vergleichsweise einfachem Niveau. Mit der gewohnten Erscheinung eines PC haben die Computer dabei - noch - nichts gemein. Vielmehr sind sie ein scheinbar unüberschaubares Gewirr aus Lasern, Prismen, Detektoren und Lichtleitern auf quadratmetergroßen Tischen. Zoller schätzt, dass man für einen großen Quantencomputer 1.000 bis 10.000 Qubits beherrschen wird müssen, diese sollten eine Million Gatteroperationen durchführen können. Zum Vergleich, die heutigen Labor-Versionen schaffen "einige wenige" Operationen. Etwa für die Lösung von rechentechnischen Problemen in der Physik (Materialforschung), bei der Übertragung von Quanteninformationen (Quantenkommunikation) und bei der Verbesserung von Sensoren in der Messtechnik könnte der Quantencomputer schon bald zum Einsatz kommen.

Laut Blatt sind wir - verglichen mit der historischen Entwicklung des herkömmlichen Rechners - derzeit bei Konrad Zuse angelangt. Der Computer-Pionier hat 1941 den weltweit ersten funktionsfähigen Rechner fertig gestellt. (APA)