Sofa Surfers veröffentlichen bei Klein Records

Foto: Klein Records

Mit Verlaub, jetzt wird's persönlich. Geht es um ein neues Album der Sofa Surfers, muss nämlich vorausgestellt werden, dass der Rezensent den frühen Output der Mitte der 90er-Jahre aufgetauchten Band mit Geringschätzungen wie "Dub-Streber", "Groove-Lehrlinge" oder "Trittbrettfahrerei" bedachte. Wertungen, die sich aus geschmacklichen Inkompatibilitäten mit dem als immer zu konstruiert empfundenen Sound der Sofa Surfers erklärten. Mit dem dritten Werk des Vierers, dem von prominenten Gästen unterstützten Album Encounters, änderte sich diese Sichtweise etwas.

Der nun, vier Jahre später erscheinende titellose, wegen seiner Farbgebung jedoch "Red Album" genannte Tonträger revidiert diese Meinung wohl endgültig. Vorarbeit für diese neue, blitz- und donnerfreie Großwetterlage leisteten bereits die beiden ausgezeichneten Soloplatten, die Wolfgang Schlögl als I-Wolf veröffentlichte und die - Amadeus-Preis-geadelt, oh, là là! - auf das neue Werk seiner Stammband hörbar Einfluss haben. Schlögl schuf als I-Wolf einen modernen Rhythm'n'Blues, der abseits hinlänglich bekannter R'n'B-Schemata erblühte, geheimnisvoll und verführerisch erschien. Er arbeitete mit Gastsängern, die seinen Tracks Gefühlstiefe, ja Seele verliehen.

Dort setzt das "Rote Album" an. White Noise heißt die erste Nummer und führt entsprechende, an den Titel gebundene Erwartungen erstmals in die Irre. Nicht Rauschen oder Lärm ertönt, sondern ein introvertierter Groove, der zwar eindeutig an den Wienern festzumachen ist, aber trotzdem anders klingt als auf den bisherigen drei Studioalben. Schälten und hieben die vier bisher aus dem elektronischen Universum ihre zwischen urbanem Dub und mutiertem Funk angesiedelte Musik, arbeiten sie nun als traditionell formierte Band. Den Beat dominiert die Snare-Drum, der Bass grummelt dazu finster im Untergrund, und die Gitarre arbeitet sich hoch konzentriert an reduziertem Funk sowie an kontrolliert-energetischen Ausbrüchen ab. Das lässt sich ästhetisch in den frühen 90ern festmachen und könnte auch von - sagen wir - Helmet eingespielt worden sein. Im Sitzen. Am Sofa. Cool.

Den Part des Gastsängers übernimmt Mani Obeya, der den Weg zu den Surfers über die Stationen London und New York gefunden hat. Obeyas intimer Gesang, der entfernt an Ben Harper erinnert, ergibt mit den hörbar durch die Auseinandersetzung mit Post-Punk und -Rock entstandenen Songs eine originäre Stimmung. Noch nie erschien die Band so geschlossen, die Chemie so stimmig. Entstanden ist ein aus zehn Stücken bestehendes Album, das einerseits Hits aufweist. Etwa das sich bei der rhythmischen Innovationsarbeit von Jaki Liebezeit von den deutschen "Krautrockern" Can orientierende Softly. Doch nicht nur in den Einzelleistungen, sondern gerade in seiner Gesamtheit überzeugt dieses ungetaufte Baby vollends. Stellenweise schmiegt es sich behutsam an, dann wieder kommt es angriffslustig und fordernd daher.

Diese Qualität ist neben der exzellenten Musik vor allem dem alle Stimmungswechsel mit Grandezza übersetzenden Gesang Obeyas geschuldet, der das Album mit seinem Herzblut veredelt. Wäre ich ein Sofa Surfer und hätte etwas zu sagen, den würde ich nicht mehr hergeben. (Karl Fluch /RONDO/DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2005)