"Kinder der Kälte" will auf die Gewaltspirale aufmerksam machen, in der sich unsere heutige Gesellschaft befindet.

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Der Schauspieler Dominik Kaschke repräsentiert die Jugend von heute in "Kinder der Kälte".

Foto: derStandard.at/Türk

Am Podium diskutierten zum Thema jugendliche Gewalt von links nach rechts: Vucko Schüchner (Landesjugendreferat), Christoph Kaindel (Netbridge), Karl Toifl (Universitätsklinik f. Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters), Peter Schweinberger (Bundesschülervertretung), Anselm Eder (Institut für Soziologie Uni Wien), Richard Krisch (Verein Wiener Jugendzentren).

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"Kennt jemand von euch das Gefühl, wenn man mit dem Rücken zur Fahrtrichtung im fahrenden Zug sitzt? Man schaut aus dem Fenster und die Welt bewegt sich von einem weg." Dieser Satz aus der Bild-, Text-, Toncollage "Kinder der Kälte" soll die Ohnmacht der heutigen Jugend beschreiben beim Versuch sich in unserer Welt zu entwickeln und orientieren. Vor allem der Gegenwart kreidet die Regisseurin Evelyn Fuchs gesellschaftliche Zustände an, die die Kinder verstören und sie zunehmend asozial werden lassen.

"Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso"

Vor dem Hintergrund der Massen- und Konsumkultur stellt die Collage die möglichen Gründe für jugendliche Gewaltauswüchse dar. Unter dem flimmernden Videoscreen, aus dem Szenen aus Computerspielen, Werbung und Fernsehen auf das Publikum niederprasseln, quält sich ein namenloser Jugendlicher durch seine Emotionen und Gedanken. Schweißperlen stehen ihm dabei auf der Stirn. Bekannte Werbebotschaften reihen sich akustisch aneinander und Gewaltszenen werden gezeigt.

"Die Zukunft kommt rückwärts auf mich zu?"

Hoch gingen die Emotionen bei der Podiumsdiskussion im Anschluss an das Theaterstück, die unter dem Motto "Die Zukunft kommt rückwärts auf mich zu? Lebenswelten Jugendlicher." stattfand. Die Diskussion drehte sich vor allem darum, ob das Gewaltverhalten heute stärker sei als noch vor Jahrzehnten und welche Gründe es dafür geben könnte.

Gewalt als Symptom unserer Zeit?

Christoph Kaindel, Mitarbeiter bei Netbridge, sieht Gewalt nicht als spezielles Phänomen unserer Zeit: "Früher waren Wirtshausschlägereien selbstverständlich." Auch würden Computerspiele nicht zur Gewalt animieren. Auch für Peter Schweinberger, Vertreter der Bundesschülervertretung, ist jugendliche Gewalt nicht unbedingt ein Symptom von heute: "Ich habe vor kurzem mit meiner Oma geplaudert, wie die sich damals gedroschen haben, ich kann nur sagen, bei uns in der HAK geht es friedlich zu." Vucko Schüchner, Landesjugendreferat: "Ich glaube nicht, dass die Gewaltbereitschaft zugenommen hat. Sie wird anders dargestellt." Columbine wäre früher von den Medien gar nicht so wahrgenommen worden.

Die Wiege der Gewalt

"Man muss die individuelle Situation der Betroffenen ansehen und seine Familie. Gewalt läuft über Generationen, das ist kein Zufall, das ist ein Prozess.", ist Karl Toifl, Ambulanzleiter der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters, überzeugt. Richard Krisch vom Verein Wiener Jugendzentren sieht die Gewaltdarstellung in den Medien als möglichen Grund für gewalttätige Ausbrüche unter jungen Menschen: "Wir haben den Einfluss durch die Medien." Anselm Eder, Institut für Soziologie der Uni Wien, widerspricht: "Es ist nicht bewiesen, dass Gewaltdarstellung Gewalt produziert."

"Kinder der Kälte" versucht das Publikum aufzurütteln und zum Nachdenken zu bringen, indem das Thema Gewalt aus verschiedenen Blickwinkeln beschrieben wird. Der Ort der Aufführung im öffentlichen Raum soll deutlich machen, dass jugendliche Gewalt ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. (mat)