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Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist ein Thema, das zuweilen die Wogen hochgehen lässt und sachliche Diskussionen erschwert. Zugleich haben die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse aber auch entscheidende Auswirkungen auf nachhaltige Entwicklung, sei es nun im Umgang mit der Natur, auf die wirtschaftliche Entwicklung oder den Zugang zu Ressourcen und Gestaltungsmacht. Mit Blick auf die Genderproblematik eröffnen sich alternative Konzepte von Nachhaltigkeit, die die Orientierung an Wirtschaftswachstum und westlichen Konsummustern herausfordern.

Gender Mainstreaming

Seit der 4. Weltfrauenkonferenz im Jahr 1995 in Peking hat das Konzept des Gender Mainstreaming große Popularität erlangt und ist in aller Munde – in Brüssel ebenso wie auf der Mühlviertler Alm. Es handelt sich dabei um eine politische Strategie, deren Ziel es ist, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein zu berücksichtigen und zur Chancengleichheit von Frauen beizutragen. Zahlreiche Projekte und Initiativen bemühen sich um eine Verankerung dieses Prinzips im täglichen Leben. Hierbei müssen jedoch vielfach erst neue Instrumente und Kommunikationsformen erprobt bzw. gefunden werden. Obwohl bereits wichtige Erfolge erzielt wurden, ist konsequentes Engagement erforderlich, da Frauen nach wie vor auf vielfältige Art und Weise Diskriminierungen ausgesetzt sind.

Neben den gängigen Rollenbildern trägt vor allem die Aufteilung von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit (z.B. Haus- und Versorgungsarbeit) zur fortgesetzten Benachteiligung von Frauen in vielen Lebensbereichen bei. Obwohl der Anteil von Frauen an der Erwerbsarbeit kontinuierlich gestiegen ist, verrichten sie nach wie vor 70 Prozent der unbezahlten Arbeit weltweit, was zur viel zitierten Doppelbelastung führt. Der Anteil der Frauen in Führungspositionen ist zwar leicht im Steigen, jedoch erfahren auch "Karrierefrauen" nur Anerkennung, wenn sie sich den vorhandenen Strukturen anpassen. Wichtig wäre es hingegen, dass es Frauen gelingt, die Strukturen so zu verändern, dass sie für beide Geschlechter weniger diskriminierend sind.

Die Feminisierung der Verantwortung

Wenn es um Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern geht, sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: 70 Prozent der Armen weltweit sind weiblich, Frauen beziehen weltweit 10 Prozent aller Einkommen und besitzen bloß 1 Prozent des globalen Vermögens. Obwohl Frauen also nur sehr beschränkten Zugang zu Ressourcen, Einkommen und Gestaltungsmacht haben, kommt eine Vielzahl von neuen Belastungen auf sie zu, die sie im Zuge ihrer unbezahlt geleisteten Reproduktionsarbeit bewältigen müssen. So sind Frauen, da sie in der Regel die Hauptverantwortung für das Wohlergehen der Familie tragen, auch von den Folgen der fortschreitenden Umweltverschmutzung und -zerstörung stärker betroffen als Männer.

Dies ist vor dem Hintergrund der derzeitigen gesellschaftlichen Umwälzungen im Rahmen der Globalisierung besonders problematisch. Die fortschreitende Privatisierung von öffentlichen und Gemeinschaftsgütern führt nicht nur zur Verschiebung bisher öffentlicher Leistungen in den Marktbereich, sondern auch in die unbezahlte Versorgungsarbeit, wo sie vor allem Frauen in aller Welt zusätzlich belastet. Gerade sie verlieren ihre Nutzungsrechte an Überlebensressourcen wie Land, Wasser und Saatgut sowie die Zugangsrechte zu sozialer Grundsicherung. Die gelebte Einbeziehung von Gender Mainstreaming in alle Politikbereiche steht erst am Anfang. Langfristig gesehen kann sie wesentlich dazu beitragen, Entwicklung vom Standpunkt des "anderen" Geschlechts aus zu betrachten und auf diese Art und Weise Verbesserungen für beide Geschlechter zu erreichen.