Wien - Eines muss man den Wiener Philharmonikern lassen: Ihre Programmhefte sind äußerst lesenswert. Wo erfährt man schon, dass man Admiral Nelson, nachdem er in der siegreichen Schlacht von Trafalgar tödlich getroffen worden war, nicht nach Seemannsart dem Meer überantwortet hat, sondern seine Leiche in Schnaps konserviert und auf dem Kommandoschiff "Victory" nach London gebracht wurde?

Mit derlei Faszination kann nicht einmal das Spiel dieses Meisterorchesters immer ganz mithalten. Höchstens das Blech, das gleich zu Beginn von Mozarts Es-Dur-Klavierkonzert (KV 482) wieder einmal mit solch störendem Nachdruck auf sich aufmerksam machte, dass man überlegen sollte, heikle Bläserpassagen künftig von einem Keyboard einzuspielen.

Dennoch wurde die Wiedergabe dieses Konzertes dank Daniel Barenboim als Dirigent und Solist zur bestgeglückten dieses Samstagnachmittags. Barenboims Zugang zu Mozart und wohl auch das Einvernehmen, das er mit dem Orchester herstellt, wirken einfach erlösend. Hier soll nichts mit feixender Rechthaberei bewiesen, sondern das, was in den Noten steht, in erster Linie mit Herz und erst in zweiter mit Hirn zum Klingen gebracht werden.

Das nach der Pause angelieferte umfängliche Ravel-Paket (Rapsodie espagnole, Alborada del gracioso, Pavane pour une Infante défunte und der Bolero) lässt stark vermuten, dass bei den Philharmonikern was unterwegs ist. Eine neue Scheibe nämlich, deren Kauf man nach dem gegenwärtigen interpretatorischen Status allerdings noch nicht sehr eindringlich empfehlen kann.

Nimmt man die geglückte Rapsodie espagnole einmal aus, fehlt es noch an der nötigen Farbmischung zwischen den Gruppen und - besonders in der Pavane - auch an der nötigen dynamischen Zurückhaltung. Wegen einiger jazziger Saxofonheuler im Bolero kauft man noch keine CD. (Peter Vujica/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. 10. 2005)