Zurücklehnen zahlt sich aus. Zumindest für Michael Häupl dürfte es ein Erfolgsrezept gewesen sein. Freitagabend noch die letzten Appelle, Aufrufe und Gspaßettln des Wiener Bürgermeisters auf der Abschlusskundgebung der Wiener SPÖ - und dann blieb nur noch das Warten. Ein erster Hinweis, wie es ausgeht, dürfte am Sonntag die Wahlbeteiligung sein - ist sie sehr niedrig, könnte die Absolute der SPÖ noch ein bisserl weniger absolut werden - und es könnte vor allem bei den kleineren Parteien anteilsmäßig noch einiges im Fluss sein.
Neue ÖVP-Gesichter
Bewegt hatten sich im Wahlkampf vor allem die anderen Parteien. Die ÖVP etwa hatte zum Einstieg zunächst einmal sich selbst bewegt - hatte mit neuen Gesichtern und einer weit gehend veränderten Kandidatenliste für Aufsehen gesorgt. Auch wenn ein Franz Ferdinand Wolf nicht gerade das Symbol für liberale, dynamische Erneuerung ist - bei der Wiener ÖVP ist allein schon die Veränderung auf der Liste ein Signal.
Probleme kamen erst viel später, erst im Finish des schwarzen Wahlkampfes. Bezeichnenderweise vor allem auch wieder durch einzelne Personen. Wenn etwa die City-Kandidatin Ursula Stenzel das absolute Ruhegebot für die Altstadt ausrief und in Interviews Parks privatisieren und zusperren wollte (siehe Seite 5). Die Konkurrenz reagierte schnell: Schon einen Tag später hingen bei Innenstadtparks Zettel mit der Aufschrift "Ich darf nicht hinein" - und dem Konterfei Stenzels.
Spagat zwischen Liberalität und Konservativismus
Weitaus langsamer reagierte die ÖVP, als Gudrun Kugler-Lang auf Platz 18 als Abtreibungsgegnerin unter Beschuss genommen wurde. Hier landete die ÖVP schmerzhaft im Spagat zwischen der Liberalität von Johannes Hahn an der Spitze - und dem Konservativismus weiter hinten. Erst spät distanzierte sich Kugler-Lang von Flugzetteln homophober und radikaler Abtreibungsgegner, die um eine Vorzugsstimme für sie warben. Trotzdem: Noch am Freitag verurteilte Kugler-Lang "radikale AbtreibungsbefürworterInnen", riet religiösen Menschen vom Wählen der SPÖ und der Grünen ab und sah sich damit "voll auf dem Boden des ÖVP-Grundsatzprogramms".
Genau gegenverkehrt erscheint der Wahlkampf der Grünen: Die gröbsten Schwierigkeiten hatten sie längst mit der Listenerstellung, dem Rausschmiss von Günter Kenesei und der Diskussion ums Fundi- und Realolager hinter sich gebracht. Dass dieser später zur ÖVP überlief, hat kurz irritiert. Im Wahlkampf hat es kaum eine Rolle gespielt.
In der heißen Phase hingegen konnte Spitzenkandidatin Maria Vassilakou vor allem in den Diskussionsrunden reüssieren, dazu wurde das Grüne Thema Grundsicherung einer der wenigen wirklich diskutierten Inhalte dieser Auseinandersetzung - und auch von fast allen anderen Parteien weitgehend akzeptiert.
Gelegentlich außer Tritt
Außer Tritt gerieten die Grünen nur gelegentlich - etwa als sie erst in der vorletzten Woche des Wahlkampfes ein Umweltprogramm präsentierten, das sich über weite Strecken als veraltet erwies. Und Forderungen - wie den Beitritt zum gentechnikfreien Netzwerk der Städte - beinhaltete, die die Grünen sogar schon mitbeschlossen hatten.
Die FPÖ hat - wie schon in früheren Zeiten - polarisiert. Ihre Plakatkampagne wurde von heftigen Protesten begleitet. Höhepunkt waren die Aussagen von Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, im STANDARD-Gespräch (Freitag-Ausgabe), der den Wahlkampf mit den Methoden der Nationalsozialisten in den 20er und 30er Jahren verglichen hatte.
Strache hofft
Strache glaubt hingegen, einen Positivwahlkampf geführt zu haben. Schlecht gelaufen ist er jedenfalls nicht. Er wird wahrscheinlich eine Art Achtungserfolg am Wahlsonntag einfahren können - wenn die Umfragen stimmen. Gestartet war er mit der Sorge über die Fünf-Prozent-Hürde nur mit Ach und Krach zu springen. Enden könnte es mit einem zweistelligen Ergebnis. Die 20,16 Prozent der Wien-Wahl 2001 sind Lichtjahre entfernt.