Auf solche Schlagzeilen will die EU-Kommission künftig verzichten: "Brüssel verhängt Rekordbuße von 497 Millionen Euro gegen Softwarekonzern Microsoft." Dieser Schritt war nur möglich, weil die Brüsseler Behörde bisher rigoros gegen Unternehmen vorging, die ihrer Meinung nach ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht hatten. Dies traf dann Branchengrößen wie Coca-Cola, IBM oder Michelin.

Jetzt arbeitet die EU-Kommission an einer grundlegenden Reform der Regeln, die genau auf solche Unternehmen abzielen. Künftig soll sich nach Angaben von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes das Augenmerk mehr auf Missbräuche richten, die den Verbrauchern schaden, als solche, die zulasten der Konkurrenten gingen. Die EU-Kommission will auch mehr wirtschaftliche Analysen für ihre Beurteilung heranziehen. So sollen erwartete positive wirtschaftliche Ausrichtungen stärker beachtet werden als ein vermeintlicher Missbrauch und möglicher Schaden für Mitbewerber.

Dies passt in die grundsätzliche Ausrichtung dieser EU-Kommission, die Wirtschaftsbelebung und Wettbewerbsfähigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hat. So hatte am Donnerstag EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso einmal mehr zu Reformen im Wirtschafts- und Sozialbereich aufgerufen.

Studie

Die Wettbewerbsbehörde berät derzeit mit nationalen Kartellbehörden über Änderungen und will bis Jahresende ihre Schlussfolgerungen dazu veröffentlichen. Die EU-Kommission hat auch eine Studie in Auftrag gegeben, wie sich Vorgaben an Firmen bei Übernahmen ausgewirkt haben. So wurden 96 von 227 Auflagen überprüft. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen in die Reform einfließen. Im Visier steht der bisher bei spektakulären Fällen herangezogene Artikel 82 des EG-Vertrags.

So sollen künftig Firmen einem Verfahren oder einer Strafe entgehen können, wenn sie nachweisen, dass Verbraucher von ihrem Verhalten profitieren. Dies kann durch Produktinnovationen oder Preissenkungen geschehen. Wenn es um einen Ausschluss von Wettbewerbern geht, will die Kommission aber weiter rigoros einschreiten. (Alexandra Föderl-Schmid aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23.10.2005)