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Auf die Spur des unter Deutschland aufsteigenden Magmas kamen Forscher durch leichtes Helium, das sonst nur bei aktiven Vulkanen wie dem Ätna auf Sizilien (im Bild) austritt.

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Erlangen - Im Dreiländereck Bayern-Sachsen-Böhmen deutet eigentlich nichts auf einen Vulkan hin. Trotzdem haben Forscher an der deutsch-tschechischen Grenze im Vogtland Anzeichen für aufsteigendes Magma entdeckt.

Seit 13 Jahren messen Geowissenschafter des Umweltzentrums Halle-Leipzig (UFZ) und des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) an 100 Stellen aus dem Boden austretende Gase. Dabei registrierten sie eine Veränderung: Der Anteil von leichtem Helium, das aus Magma im Erdmantel stammt, gegenüber schwerem Helium ist in diesem Zeitraum um 20 Prozent angestiegen. Das zeige, dass Magma aufsteige, schreiben die Forscher im US-Fachmagazin Geophysical Research Letters.

In Mitteleuropa seien noch niemals so große Mengen leichten Heliums gemessen worden. Solch hohe Werte würden sonst nur an aktiven Vulkanen wie etwa dem Ätna gemessen, berichtet Karin Bräuer vom UFZ, die die Ergebnisse jüngst auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften in Erlangen vorstellte. Die Vulkane im Vogtland gelten eigentlich als schon lange erloschen, ihr letzter Ausbruch liegt 300.000 Jahre zurück. Doch immer wieder rufen Erdbeben die geologische Geschichte in Erinnerung - zuletzt im Herbst 2000, als hunderte zumeist unmerkliche, nur mit Instrumenten messbare, Beben das Vogtland vibrieren ließen.

8000 Beben in kürzester Zeit

Derartige Erdbebenschwärme sind sehr selten. Doch im Vogtland ereignen sich alle paar Jahrzehnte stärkere Bebenschwärme, zuletzt im Winter 1985/86. Damals erschreckten Stöße der Stärke 4,6 die Anwohner. Insgesamt wurden damals 8000 Beben aufgezeichnet. Die Schwarmbeben in dieser Region entstehen in sechs bis 14 Kilometer Tiefe. Ausgelöst werden sie vermutlich von plötzlich aufsteigendem heißem Wasser. Das schließen Forscher um Wolfgang Wirth von der Uni München aus dem Muster der Beben, die sich auf sehr engem Raum konzentrieren.

Dass Schwarmbeben tatsächlich vulkanische Ursachen haben, bestätigten kürzlich Wissenschafter um Ross Stein vom Geologischen Dienst der USA anhand von Modellrechnungen: Aufsteigendes Magma oder erhitztes Wasser drückt anscheinend gegen darüber liegende Gesteinsschichten, bis das Gestein nachgibt. Die Spannung löst sich nicht wie bei den meisten Erdbeben auf einen Schlag, sondern in Form vieler kleiner Erschütterungen. Im Vogtland werden dabei Wasser und Gase aus der Erdkruste freigesetzt, wie die Forscher jüngst feststellen konnten: 220 Tage nach den Schwarmbeben vor fünf Jahren registrierten sie ein halbes Jahr lang deutlich veränderte Gaswerte. Diese zeigten, dass die Gase nicht mehr ausschließlich aus dem Erdmantel stammten.

Weil bekannt war, dass sich die Beben in ungefähr 6,5 Kilometer Tiefe ereignet hatten, konnten die Wissenschafter nun berechnen, dass die Gase mit etwa 30 Metern pro Tag aufgestiegen waren. Örtlich gelangten Gase nahezu ungehindert mit 400 Metern am Tag nach oben. Es müsse folglich kilometertiefe Spalten geben, berichten die Geowissenschafter. Glücklicherweise bestehe aber keine Verbindung zum Magma, das sonst an die Oberfläche sprudeln würde. Die Magmaquelle liegt, wie eine neue Studie zeigt, deutlich tiefer.

Seismologen um Wolfram Geissler und Horst Kämpf vom GFZ analysierten Erdbeben, die von Stationen in der Region aufgezeichnet wurden. Deren Schockwellen gaben Auskunft über den Untergrund. Die Messungen zeigen unter dem Vogtland in 30 bis 60 Kilometer Tiefe ein Reservoir teilweise geschmolzenen Gesteins mit der Konsistenz von Glas. Stiege es auf, würde es schmelzen und sich als Lava übers Land ergießen. Der Erdmantel sei in der Gegend aufgrund so genannter magmatischer Unterplattung aufgewölbt, berichten die GFZ-Forscher. Dabei drängt Magma aus dem Erdmantel gegen die Erdkruste. Noch hat es einen weiten Weg zur Oberfläche. Doch die blubbernden Gase seien Vorboten eines Vulkanausbruchs. Gut möglich, dass es in 100.000 Jahren in Sachsen wieder zu einer Eruption komme, bestätigt Bräuer. In naher Zukunft sei aber nicht damit zu rechnen. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23. 10. 2005)