"Moderat Modern. Erich Boltenstern und die Baukultur nach 1945" - Ringturm mit Schulkindern am Katalogcover

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wienmuseum.at

Foto: Wien Museum

Wien - Sie sei das "gebaute Gesicht der Nachkriegszeit", meinte Wien Museum-Direktor Wolfgang Kos heute, Mittwoch, bei der Pressekonferenz zur Ausstellung "Moderat Modern" über die österreichische Baukultur nach 1945. Das Ansehen dieser "soliden und unterschätzten Moderne rund um Erich Boltenstern" will Kos mit der Schau aufwerten, "da laufend weitere dieser Gebäude verschwinden". Bis 29. Jänner 2006 gibt es im Wien Museum am Karlsplatz die Chance zum zweiten Blick.

Detailfülle

Rund um den Nachlass des Architekten Erich Boltenstern (1896-1991) haben die Kuratorinnen Judith Eibelmayr und Iris Meder eine detailverliebte Ausstellung gebaut. Der Ringturm, das Boltenstein-Hauptwerk für die Wiener Städtische Versicherung, die wiederaufgebaute Staatsoper mit dazugehöriger Passage, sowie das schon 1935 gebaute Kahlenberg-Restaurant sind die Meilensteine der Schau. Eine Lounge mit 50er-Jahre Mobiliar, die die Besucher auch benützen dürfen, sowie der angedeutete Nachbau der Opernpassage mit ihren charakteristischen Säulen unterstützen das eigene historische Flair des Wien Museums.

Die dicht gedrängten Fotos in den Vitrinen, die vielen Briefe und Rechnungen - sogar ein Abholschein der Reinigung findet sich da - drohen den Blick des Besuchers für das eigentlich Wichtige zu verstellen. Um die Architektur in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen, hätte man sich mehr einfallen lassen müssen als diese Materialflut. Und doch lassen sich neben den großen Entwürfen auch weniger bekannte Ideen (wieder-)entdecken, so etwa das in den 1930er Jahren beliebte "wachsende Haus". Die Architekten der Zeit beschäftigte die Aufgabe, Häuser zu konzipieren, die je nach finanziellen Möglichkeiten und familiären Bedürfnissen mit ihren Bewohner mitwachsen könnten.

Hauptwerke: oft weg oder verschandelt

Die Architektur der Wiederaufbau-Ära hatte es nie leicht. Verlässlichkeit statt Risiko, Sparsamkeit statt Großzügigkeit lautete die Devise. Schnell, möglichst ohne Diskussion und vor allem nach dem Willen der politischen Parteien sollte der Wiederaufbau von statten gehen. Mit der entsprechend wenig revolutionären, nüchternen Architektur ging die nachfolgende Generation hart ins Gericht. "Viele Besucher werden negative Erinnerungen mit diesen Gebäuden verbinden," meinte Kos, "viele finden sie noch heute nicht schön". Zu Unrecht, meinte der Direktor, und wünscht der wenig beachteten Architektur mehr Aufmerksamkeit: denn "viele Hauptwerke sind bereits weg oder verschandelt". (APA)