Paranoia oder real begründetes Angstszenario: Kyle Pratt (Jodie Foster) verliert in Robert Schwentkes Thriller "Flightplan" ihre Tochter im Jumbojet.

Foto: Buena Vista
Wien - Die Abreise aus Berlin erfolgt überstürzt. Der Ehemann der Amerikanerin Kyle Pratt (Jodie Foster) hat Selbstmord verübt, nun muss sie noch die letzten Formalitäten klären, bevor sie mit einem Sarg und ihrer Tochter Julia (Marlen Lawston) in die Heimat zurückkehren kann. Im Gewimmel des Flughafens verliert sie das kleine Mädchen kurz aus den Augen. Im Jumbo-Jet, der alle Annehmlichkeiten des modernen Personenverkehrs verspricht, atmet sie dann endlich durch.

Das Flugzeug erweist sich in Flightplan, dem Hollywooddebüt des Deutschen Robert Schwentke (Tattoo), jedoch erst als der wahre Panic Room. Wie im gleichnamigen Film von David Fincher, in dem sich Jodie Foster im eigenen Haus aus Angst vor Einbrechern in einem Sicherheitsraum verschanzt, wird auch hier geschlossenes Terrain zur Matrix eines Psychodramas, in dem die US-Schauspielerin einmal mehr ihr Rollenbild als tatkräftige Mutter variieren kann.

Das Drehbuch dieses High-Concept-Thrillers, der in den USA mit großem Erfolg im Kino läuft, verlangt ein wenig guten Willen zum Unwahrscheinlichen: Kyle schläft im Flugzeug ein - als sie wieder erwacht, ist der Sitz neben ihr verlassen. Ihre erste Suche nach der Tochter verläuft ergebnislos. Das Flugpersonal begegnet der wachsenden Nervosität der Mutter zunächst mit freundlicher Bestimmtheit: "She could not have gone too far." Weil Kyle jedoch selbst Ingenieurin von Flugzeugen ist, weiß sie, dass es darin auch ein unterirdisches Labyrinth gibt, zu dem niemand Zugang hat.

Flightplan baut einerseits auf vertrautem Thrillerregelwerk auf, wenn er ein paranoides Subjekt in einer sozialen Ordnung platziert, die an dessen Anliegen nur bedingt Interesse zeigt. Je hartnäckiger Kyle aber an ihrer Suche festhält, desto mehr verlagert sich der Verdacht auf sie selbst. Auf den Boardinglisten scheint ihre Tochter nicht auf, niemand will sie gesehen haben, und als eine Nachricht eintrifft, die besagt, dass Julia von ihrem Vater mit in den Tod gerissen wurde, gilt die Passagierin endgültig als unglaubwürdig.

Unsicherheitsfaktor

Nicht nur in diesem Spiel mit einem humanen Unsicherheitsfaktor erweist sich Flightplan als ein Thriller, der sich auf sehr zeitgemäße Art Ängste einverleibt, die für die Zeit nach 9/11 charakteristisch sind. Dazu gehört zum einen das Trauma, dass durch das plötzliche Verschwinden eines Menschen ausgelöst wird - ein Thema, das in Genrefilmen zuletzt vermehrt aufgetaucht ist.

Expliziter werden die Verweise noch, wenn das soziale Gleichgewicht an Bord außer Kontrolle zu geraten droht. Ein arabischer Passagier dient als Feindbild, das die Passagiere einen Moment lang zum Mob formieren könnte. Der Sitznachbar (Peter Sarsgaard) entpuppt sich als Air-Marshal, der für die Sicherheit des Fluges verantwortlich ist. Die schwebenden Kamerafahrten von Florian Ballhaus tun ein Übriges, um das Flugzeug als Raum latenter Gefahren zu beschwören

Flightplan wird so über weite Strecken zum Film über Angst als bedrohlichen Selbstläufer. Leider hatten die Autoren nicht den Mut, das Spiel mit diesem Szenario bis zum Ende hin offen zu halten. Das Drama um Scheitern von Kontrolle auf engem Raum wird zuletzt dann doch über eine dramaturgische Notlösung abgeschwächt. Die Konventionen des Thrillers, nicht die Unwägbarkeiten des modernen Daseins garantieren die sanftere Landung. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.10.2005)