Eine strahlende Jane Birkin freut sich sichtlich über die Hommage zu Lebzeiten: "Ich dachte, das würde erst posthum passieren!"

Foto: STANDARD/Newald

Ein auskunftsfreudiger Stargast im Gespräch nach der "Dust"-Gala im Gartenbaukino

Foto: STANDARD/Newald
Nicht nur bei der ihr gewidmeten Galaaufführung im Gartenbau hatte sie die Sympathien auf ihrer Seite.


Mit freundlicher Gelassenheit sitzt Jane Birkin im Blitzlichtgewitter. Was man sonst eher von den großen Filmfestivals in Cannes, Berlin oder Venedig kennt, hat mit ihr auch in Wien Einzug gehalten: Die Viennale hat ihren Festivalglamour, inklusive Autogrammjägern, die geduldig auf das Eintreffen des Stargasts warten.

Dabei ist Birkin eine denkbar unglamouröse Erscheinung. Sitzt in einem ärmellosen T-Shirt zwischen den beiden Gastgebern der Pressekonferenz, Hans Hurch und Gerhard Midding, um mitten im anhaltenden Kameraklicken dann ganz konzentriert Fragen zu beantworten.

Jane Birkin erzählt ihr Leben in pointierten Geschichten. "Wäre mein erster Ehemann nicht abgehauen, dann würde ich ihm immer noch das Bad einlassen und seine Rühreier zubereiten - manchmal ist es nicht schlecht, wenn Leute gehen." Ihr Glück sei zum Beispiel gewesen, sagt sie, dass sie seinerzeit das erste "funny girl" aus England war, das in Frankreich entdeckt wurde: "Sie wussten nicht, dass es zu Hause noch mehr davon gab."

Und ihr Glück habe weiters darin bestanden, dass ihr andere über Jahrzehnte viele jener Möglichkeiten einräumten, auf die sich ihr anhaltender Starruhm gründet. Menschen wie Serge Gainsbourg, der sie zum Singen brachte: "Ich hatte mitbekommen, dass all diese attraktiven Schauspielerinnen unbedingt 'Je t'aime, moi non plus' singen wollten, Frauen wie Mireille Darc zum Beispiel - das wollte ich nicht zulassen."

Menschen wie Jacques Doillon, der ihr nach ihren erfolgreichen Anfängen als Komödiantin als erster auch ernstere Rollen zutraute, oder Patrice Chéreau, der sie fürs Theater entdeckte. Agnès Varda, die sie in "Jane b. par Agnès V." als Kompensation für einen Auftritt als Flamencotänzerin auch die Jeanne d'Arc spielen ließ, Philippe Lerichomme, der ihre Zusammenarbeit mit Djamel Benyelles und das Musikprojekt "Arabesque" initiierte, oder auch die belgische Regisseurin Marion Hänsel, mit der sie 1985 "Dust" drehte.

Erfahrungswerte

Später, nach der Aufführung dieses Films, auf der Bühne des voll besetzten Gartenbaukinos, wird sie im Gespräch mit Simon Fields noch einmal betonen, dass sie es seinerzeit Hänsels gutem Auge für das Potenzial von Schauspielerinnen und Schauspielern zu verdanken hatte, die Rolle der verhärmten Magda überhaupt zu erhalten. "Ich selbst besitze keine große Vorstellungskraft, ich schöpfe mehr aus meinen Erfahrungen." Sogar der Autor der Romanvorlage, der von Birkin verehrte, nachmalige Nobelpreisträger J. M. Coetzee, habe zunächst daran gezweifelt, dass ausgerechnet sie seine Protagonistin glaubwürdig verkörpern könne. Nach Fertigstellung des Films kam dann ein Brief per Luftpost, in dem er sich vom Gegenteil mehr als überzeugt zeigte. "Diesen Brief habe ich bei mir zu Hause gut aufgehoben."

Jane Birkin erzählt solche Geschichten gänzlich uneitel. Auf Erinnerungen an die Dreharbeiten en famille - "Meine Eltern waren auch mit dabei. Wir haben jeden Abend mit Trevor Howard gemeinsam gegessen und tagsüber habe ich ihn dann vor der Kamera mit dem Messer attackiert." - folgen solche an die physische Ausgestaltung der Figur, einer Frau, die ihr ganzes Leben ungeliebt verbracht hat, die sich durch und durch hässlich fühlt: "Wie bewegt sich so jemand, darüber haben wir zum Beispiel lange nach gedacht - eine Frau, die noch nie Liebe oder Sexualität erfahren hat? Vielleicht so, als hätte sie ein Tampax zwischen ihren Beinen?"

Diese unverblümte und auch unvoreingenommene Haltung stand nicht selten im Widerspruch zu jener des Publikums und der Aufnahme ihrer Filme, wie zum Beispiel "La pirate": "Der Film wurde in Cannes ausgebuht, er war ein Skandal. Mein Bruder Andrew, der mitspielte, war ohne mich dort, und ich hatte nachher ein furchtbar schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Ich verstehe auch nicht, wie diese Leute leben. Ich selber kannte die Erfahrung durchaus, wie es ist zwischen zwei Menschen zu stehen."

Oder "Je t'aime moi non plus": "Francois Truffaut war damals einer der wenigen, der den Film verteidigt hat. In einer Radiosendung hat er die Zuhörer öffentlich aufgefordert: 'Sehen Sie sich nicht meinen neuen Film an, gehen Sie in den von Gainsbourg' - von welchem Regisseur hat man so etwas je gehört? Umgekehrt gibt es heute noch Leute, die den Film schätzen. In Tokio ist er Kult. Da läuft er permanent im Kino."

Sie habe, sagt Birkin noch, eher damit gerechnet, dass man ihr einmal posthum eine Retrospektive widmen würde - umso schöner sei es, dass dies mit dem Tribute der Viennale nun doch zu ihren Lebzeiten passiere. Auch dem begeisterten Beifall nach eine gute Entscheidung. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.10.2005)