Graz - Ein politisches Nachbeben lässt die steirischen Grünen nach der Landtagswahl nicht zur Ruhe kommen. In einem sind sich dabei fast alle Parteimitglieder, die sich in den Regionen oder der Landeshauptstadt öffentlich Gehör verschaffen, nach den Stimmenverlusten einig: Es kann so nicht weitergehen.

Doch während die einen, wie etwa der Gemeinderat Lambert Schönleitner aus Hall bei Admont oder der Vizebürgermeister von Zeltweg, Johann Richter, ganz klar einen sofortigen Wechsel an der Spitze, also einen Rücktritt von Ingrid Lechner-Sonnek fordern, wollen andere erst einmal analysieren.

Als Reaktion auf die Kritik an ihrer Chefin schickten am Mittwoch mehr als zehn Bezirkssprecher, darunter Dino Richter aus Bruck und Andreas Breuss aus Bad Radkersburg einen offenen Brief aus, in dem sie Lechner-Sonnek "nach wie vor unser volles Vertrauen" aussprechen und betonen, eine "gründliche Suche nach Ursachen" für den Misserfolg mit der Parteichefin gemeinsam durchführen zu wollen. Außerdem wird in dem Schreiben das "Vorpreschen Einzelner", durch das ein "falsches Bild der Zerstrittenheit" in der Öffentlichkeit entstünde, zurückgewiesen.

"Einige Kreise haben bei uns nach der Wahlniederlage völlig hysterisch reagiert", meint auch Sigi Binder, Klubchefin der Grazer Grünen im Gespräch mit dem STANDARD. Binder will zwar den Verlust von 1,9 Prozent der Wähler allein für Graz "sicher nicht schönreden", sieht aber im "Köpfe-rollen-Lassen oder dem Rotationsprinzip bei Mandaten" kein Allheilmittel. Vielmehr seien die Grünen "zu unscharf geworden. Wir haben zum Beispiel im sozialen Bereich wirklich gute Konzepte nicht zu den Menschen gebracht". Außerdem müsse man sich bei Umweltfragen wieder "mit jener Radikalität engagieren, die wir ursprünglich hatten und die die Leute von uns erwarten".

Keine Anbiederung

Einen großen politischen Wunsch, den sie mit vielen Grünen teile, müsse man, vor allem auf Bundesebene, zudem deutlich machen, betont Binder energisch: "Es gibt keinen Grund für eine Anbiederung der Grünen an eine der beiden Großparteien, schon gar nicht an eine ÖVP mit Wolfgang Schüssel und Andreas Khol". Binder sei sicher, dass die Diskussionen eine Chance für einen Aufbruch der Partei sein könnten.

Dem stimmt auch Christina Jahn zu, die mit Binder im Gemeinderat sitzt. Sie war eine jener Grazer Grünen, die sich am Freitag trafen und einen Brief mit Forderungen an die Landespartei schickten - DER STANDARD berichte. "Das war aber kein subversives Treffen, sondern ein ganz normales Treffen der Grünen Christinnen und Christen", stellt Jahr fest. Von einem Rotationsprinzip, bei dem Mandatare ausgetauscht würden, halte sie - im Gegensatz zu anderen, die dem Treffen beiwohnten - gar nichts. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.10.2005)