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Interessendachverband für Behinderte kontert Kritikern: Eine auf Gleichstellung zielende Gesellschaft könne nicht einfach Behinderten den Zugang zu Prostitution erschweren

Foto: REUTERS/Laszlo Balogh
Sex auf Krankenschein: Dieser in Österreich eher schlüpfrig, abwertend gemeinten Vorstellung kommt man in Dänemark nahe. Jetzt ist eine Diskussion über diese Ausprägung des Sozialstaats ausgebrochen. - von André Anwar aus Kopenhagen

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Nach dem offiziellen Motto "Sexualität - unabhängig von Behinderung", dürfen behinderte Dänen Hilfe ihrer Betreuer in Anspruch nehmen, um Prostituierte aufzusuchen. In einigen Regionen bekommen Behinderte einmal im Monat einen Prostituiertenbesuch durch den Staat bezahlt. Beides erzürnt die Opposition.

Hilfe bei Kontakt mit Prostituierten

Die sozialdemokratische Gleichstellungsbeauftragte Kristen Brosböl kritisiert das dänische Sozialministerium, dafür dass es Pflegepersonal dazu anleitet, Behinderte dabei zu unterstützen, Sex zu kaufen. "Wir geben erhebliche Steuergelder dafür aus, um Frauen aus der Prostitution zu holen. Gleichzeitig ermutigen wir Pflegepersonal ganz offiziell dazu, Behinderten beim Kontakt mit Prostituierten zu helfen", kritisiert Brosböl.

Richtlinienkatalog

Die Opposition im Parlament fordert, dass der Richtlinienkatalog des Sozialministeriums von 2001 mit der Leitrubrik "Sexualität, unabhängig von Behinderung" schnellstens geändert wird.

In der Richtlinienverordnung der Regierung ist zu lesen: "Pfleger sollen in einigen Fällen ihre zu betreuende Person zur Behinderten eskortieren. Dabei kann es auch von erheblicher Bedeutung sein, dass der Pfleger, zusammen mit der Person das Gespräch mit der Prostituierten führt, um Wünsche auszudrücken und sicherzustellen, dass genug Zeit zur Verfügung steht."

Diskussion mit Doppelmoral

Stig Langvad vom Interessendachverband für Behinderte versteht die Aufregung nicht. Er findet, dass die dänische Diskussion Doppelmoral zeige und meint, dass Behinderte die gleichen Möglichkeiten haben müssten, wie alle anderen Menschen auch. Eine auf Gleichstellung zielende Gesellschaft könne nicht einfach Behinderten den Zugang zu Prostitution erschweren.

Das Sozialministerium sieht das genauso. Lediglich die Finanzierung mit Steuergeld sollte in Zukunft abgeschafft werden, so das Ministerium. Allerdings wartet man noch ab. Ein behinderter Mann aus einem dänischen Distrikt, in dem Behinderte kein Recht auf staatliche Mittel für den käuflichen Sex haben, hat vor dem Gericht geklagt. Wenn Behinderte in anderen Distrikten Sex bezahlt bekommen, will er das auch, so die Argumentation. (André Anwar aus Kopenhagen, DER STANDARD Printausgabe 6.10.2005)